Ich mache beim Fliegenwerfen auch so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Aber ich fange meine Fische, oft auch mehr als so mancher Wurfkünstler.
So stehe ich dazu:
Es gibt keine falschen Würfe! Es gibt höchstens gute und bessere Würfe oder angemessene und weniger angemessene.
Es gibt Würfe, die sehen gut aus, sind es aber nicht. Es gibt Würfe, die sehen schlecht aus, sind aber genial.
Es gibt beim Fliegenfischen, wenn man sie als Kunst betrachtet, nur die Frage, wie weit ich auf welchen Weg gehen will.
Ein Weg zu einer gewissen Virituosität kosten viel Zeit, die man zu opfern bereit sein muss.
Am Anfang wirft man weniger gut und weiss es nicht. Ist man da durch wirft man weniger gut und weiss es auch.
Da kommt die erste Falle des Selbstbetrugs, in der man reagiert, wie der Fuchs dem die Trauben zu hoch hängen.
Fairer gegen sich selber wäre es zu sagen: mir macht es Spass aber mehr ist nicht drin. Ist man da durch kommt die
Phase der Überheblichkeit: man wirft häufiger gut und schiebt die Schuld für weniger gute Würfe auf äußere Umstände,
wie Wind, Gerätschaft, Neider usw.. Das ist auch die Phase in der man eine Fliegenfischerschule gründen möchte oder
sich in einschlägigen Foren prügelt.

Ist man auch da durch wirft man häufig gut und leugnet nicht mehr die weniger guten Würfe. Erkennbar wird diese Phase
in einem selbst, dass man weniger missionarisch wird. Am Ende, wenn es denn eins gibt, gelingt fast alles und ein
Wurfbild läuft quasi schon vor dem geistigen Auge ab bevor der tatsächliche Wurf passiert und scheinbar schlechte
Würfe werden in ihrem Potential begriffen.
Fliegenfischen ist nicht einfach. Auch wenn man es gerne anders sagt um nicht abzuschrecken. Genau so könnte ich sagen
Malen ist ganz einfach, weil ich das System Farben-Pinsel-Leinwand begriffen habe. Aber genau das ist der Punkt,
wo sich jeder gerne selber abholen sollte: Freude am Tun und Einsicht in die Grenzen. Das tut übrigens nicht Weh.
In meiner Jugendzeit konnte ich mal den berühmten Riff von 'Smoke on the water' auf der Gitarre spielen. Ich wäre
niemals so vermessen zu behaupten ich sei Gitarrenspieler oder hätte nur Ansatzweise das Geheimnis der Gitarre
verstanden. Aber heute freue ich mich noch daran mich mit den zwei, drei Griffen in Stimmung zu bringen ...
Ein weiterer Punkt, der vielleicht vielen den Einstieg ins Fliegenfischen verleidet ist das Erlernen der (so genannten)
Grundtechniken mit denen man, meiner Meinung nach, eher wenig anfangen kann ausser im Garten ein paar
Rosen zu köpfen. Mir ist bewusst, dass ein Aufschrei durch die Fliegenfischerszene geht, die sich locker gibt aber
eher konservativ ist. Würde ich mich zu einem Kursangebot berufen fühlen, würde ich eher Einstiegswürfe lehren, die
den üblichen Gewässersituationen gerecht werden, nämlich nicht vorhandener Rückraum. Den Beweis, dass ein
Einstieg nur über die Grundtechnik des Leerwurfs möglich ist, ist man bis heute schuldig geblieben und wird meist
über gewisse Traditionen begründet. Wichtig ist es die Dynamik Wasser-Gerätschaft-Mensch zu begreifen; dazu braucht
es nicht vorne weg Weit-und Leerwurf. Das entwickelt sich mit der Zeit von alleine. Auch der Mythos von unkorrigierbaren,
weil falsch erlernten Grundtechniken, macht die Fähigkeiten des Körpergedächtnisses klein.
Als Kind erlernte ich das Fahrradfahren auf einem 26er Herrenfahrrad. Da ich wegen der kurzen Beinchen nicht über die Stange kam,
klemmte ich mich zwischen den Rahmen. Das sah nicht schön aus, war aber für mich bestens brauchbar, da ich nicht warten wollte
bis gross genug für den Rahmen war. Glaubt ihr, ich fahre heute noch so auf dem Fahrrad, wie ich es erlernt habe?
Letztendlich kann Fliegenfischen auch ein geistiges Tun sein (wie vieles andere auch).
Bedeutet: das dynamische System Wasser-Gerätschaft-Mensch spiegelt meine innere Lage. Bin ich schlampig in meinen
Ausführungen (was häufig der Fall ist)? Halte ich Konzentration und Spannung aufrecht? Kann ich mich lassen?
In Varianten kennt das jeder. Neulich hatte ich beispielsweise eine Idee für einen neuen Wurf, den ich auch auf Anhieb
umsetzen konnte. Auch die ständigen Wiederholungen zeigten keine nennenswerten Mängel. Ich bat meine Frau diese
'Sensation' zu filmen. Nichts ging mehr. Solche Momente zeigen mir, dass ich (fliegenfischerich) noch nicht bei mir angekommen
bin.
Noch eine Bemerkung zur Wer-fängt-hat-Recht-Theorie ...
Ein, zwei mal ist es mir schon passiert, dass an meiner abtreibenden Leine ein Fisch anbiss während ich mit dem Rücken zum
Wasser war, weil ich mit irgendwelchen Leuten gequakt hatte. Selbst wenn eine Rekordforelle dran gewesen wäre, ich hätte
mich geschämt, das als Fang zu bezeichnen. Klar, der Zweck (auch beim Fliegenfischen) ist es Fische zu fangen. Nur ...
... wer nicht weiss, wie man einen Fisch fängt, sollte ihm nicht dadurch Schande bereiten, dass er ihn fängt!
(Maclean: Aus der Mitte entspringt ein Fluss)
P.S. @Daniel: Was ist denn die perfekte Vorfachablage? Jene, die in den Büchern steht
oder jene, die der Fisch mag?