Traurig aber (Deutsch) wahr...

Literarisches & Kulinarisches von Anglern für Angler

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Fishermanslure
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Traurig aber (Deutsch) wahr...

Beitrag von Fishermanslure » 20 Mär 2015 17:20

Über einen, der auszog das Angeln zu lernen

In frühester Kindheit bin ich ab und zu mit meinem Opa zum Angeln gegangen. Viel ist mir davon nicht mehr in Erinnerung geblieben, zu lange ist´s schon her. Ich weiß aber noch, wie viel Spaß wir gemeinsam hatten Wie wir still am Wasser saßen, auf den Korkschwimmer starrten und ganz nebenbei die wuselige Natur um uns herum beobachteten. Vieles hat mir mein Opa damals erklärt, vieles davon habe ich vergessen, manches ist unauslöschlich in meiner Erinnerung verankert.
Diese Erinnerungen gaben wohl den Ausschlag, mich nun – nach über 40 Jahren – wieder mit dem Angeln zu befassen. Inzwischen bin ich selbst schon Opa und was wäre schöner, als mit meinem Enkel am Wasser zu sitzen und ihn das Erleben zu lassen, was ich damals erleben durfte.
So ging ich dann eines Tages frohen Mutes in ein Angelgeschäft. Wo sollte man sich besser erkundigen und gleichzeitig auch schon mal nach einer Ausrüstung schauen können.
Doch nichts ist so einfach, wie es scheint. Auf meine Frage, wo ich denn in der Umgebung angeln könne und wen ich fragen müsse um dies tun zu können, wurde mir erst mal eröffnet, dass ich dazu einen Fischereischein brauche. Aha, nun ja, die Zeiten ändern sich. Zu meinem großen Erstaunen erfuhr ich weiter das ich, um diesen bekommen zu können, erst einmal eine Prüfung ablegen muss.
Prüfung ???
Ja, ich müsse einen Vorbereitungslehrgang mitmachen und anschließend eine Prüfung ablegen. Ich bekam auch eine Adresse, wo ich mich eingehender erkundigen könne.
Dort erfuhr ich nun, dass ich mich gerne zu einem Lehrgang anmelden könne. Diese würden im Herbst beginnen und im darauffolgenden Frühjahr sei die Prüfung.
Ich muss meine Pläne also um mehr als ein halbes Jahr nach hinten verlegen. Nun gut, was soll´s.
Ich will jetzt nicht groß über den Lehrgang berichten, und schon gar nicht über die Prüfung. Doch schien mir das alles ein wenig aufgebauscht. Ich wollte ja eigentlich nur mit meinem Enkel ein wenig angeln. Wer weiß, ob der Bursche überhaupt Spaß daran hat. Wer weiß, ob ich es alleine weitermachen würde, sollte er sich nicht dafür begeistern können.
Nun ja, ich absolvierte also den Lehrgang und legte auch erfolgreich die Prüfung ab.
Einige Tage später war ich dann auch im Besitz eines Fischereischeins. Hatte ich Anfangs noch geglaubt, mit dem Prüfungszeugnis angeln zu können, wurde ich doch bald eines Besseren belehrt. Das Zeugnis berechtigt zum Erwerb eines Fischereischeins und dieser berechtigt zum Erwerb einer Angelerlaubnis. In Deutschland hat halt alles seine Ordnung, und sei diese noch so absurd.
Letztlich waren alle Hürden genommen und so stand ich wieder im Angelgeschäft.
Recht freundlich wurde ich begrüßt und nach meinen Wünschen gefragt.
„ Was darf es denn sein ? „
„ Also ich würde gerne Angeln gehen und brauche eigentlich eine Grundausstattung „
„ Aha, was wollen Sie denn fangen ? „
„ Na, Fische natürlich „
Diese wahrheitsgemäße und arglose Bemerkung ließen das linke Augenlid des netten Verkäufers kurz zucken.
„ Ja, das hab ich mir gedacht. Ich meine, welche Fische wollen Sie fangen ? „
Oha, jetzt zahlt sich doch der Lehrgang aus. Präzise zähle ich ihm die Namen auf, die ich im Lehrgang gelernt habe.
„ Hechte vielleicht, Zander auch. Und Karpfen natürlich. Brassen sind auch nicht verkehrt. Ach ja, und Forellen „
„ Ähh ja, dann kommen sie mal mit „
Wir gingen durch den Laden und blieben vor einem Wald von Ruten stehen. Hübsch sehen sie aus. Kein Vergleich zu den Bambusstecken meines Opas.
„ Also „ begann der Verkäufer, „ hier hätten wir mal eine Stellfischrute zum Hechtfang, oder wollten Sie eher mit Kunstködern angeln ? „
„ Das weiß ich noch gar nicht. Sehen Sie, ich fang ja grade erst an und hab noch keine Ahnung, was mir Spaß macht „
„ Hmm, na vielleicht probieren Sie es dann erst mal auf Weißfische. Hier ist eine wunderschöne Feederrute zum angeln mit Futterkorb „
Da begann es mir so langsam zu dämmern, das der Lehrgangsstoff vielleicht nicht alle Aspekte der modernen Angelfischerei abdeckte.
„ Sie können natürlich auch eine Matchrute nehmen, oder hier so eine Bolo Rute „ fuhr der Verkäufer fort.
„ Wenn Sie doch lieber auf Karpfen angeln möchten, so haben wir drüben eine große Auswahl an hervorragenden Ruten, und für die Forellenangelei kann ich Ihnen ein paar schöne Spiroruten zeigen, damit sind sie in jedem Forellenpuff der King „
„ Wissen Sie, ich wollte eigentlich nur ganz normal angeln „ machte ich den Versuch das Gespräch auf eine Ebene zurückzuführen, die meinen Verstand nicht überforderte.
„ Ja klar, aber sie müssen doch wissen, wie oder auf welche Fische sie angeln wollen „
„ Nun, ehrlich gesagt bin ich wohl ein wenig zu naiv an die Geschichte herangegangen. Ich denke ich wird mich erst mal informieren und komme später noch mal wieder „
Verwirrt und einigermaßen konsterniert verließ ich den Laden.
Irgendwie verstand ich die Welt nicht mehr. Ich wollte eigentlich nur mit meinem Enkel ein bisschen angeln und gerate in einen Teufelskreis. Soll ich aufgeben ? Nein, schließlich hab ich ja diesen Lehrgang absolviert und den Fischereischein bezahlt. Da wird ich die letzte Hürde auch noch nehmen. Informationen müssen her, aber woher ?
In der heutigen Zeit ist das wohl keine echte Frage. Wozu gibt es schließlich das Internet.
Also ran an Google und nach dem Stichwort „ Angeln „ suchen. 6.050.000 Treffer, na Super.
Bis ich da durch bin ist mein Enkel selber Opa. Doch halt, das klingt gut.
„ Anglerboard – angeln im Internet.“ Da schau ich mal rein.
Aha, ein Forum, ein großes Forum sogar. Viele verschiedene Themen, interessant. Was bieten die denn da so ? Ich schnüffle also quer durch die einzelnen Bereiche. Da steht „ Angeln „ , da bin ich sicher richtig, denn das ist es, was ich will. „ Angeln allgemein „ , „ Stippfischen „, „ Karpfenangeln „ , „ Raubfischangeln „ , oh Mann, schon wieder so viele verschiedene Rubriken. Na, geh ich halt mal in „ Angeln allgemein.“
Weia, das müssen ja hunderte verschiedenen Themen sein. Ich durchforste die Überschriften, nach interessanten Themen. Hmmm, so richtig find ich da nichts. Es dämmert mir, das ich offenbar der erste Anfänger bin. Und ich denke, ich muß schon selbst Fragen stellen um Antworten zu bekommen. Flugs melde ich mich an, alles kein Problem. Ah, ich soll die Boardregeln lesen. Gut, mach ich. Im Überflug. Ist klar, ist klar, ist klar, keine Politik, hmmm, brauch ich auch nicht. Keine Beleidigungen usw. ok.
Geschafft. Ich bin nun ein angemeldetes Mitglied.
Na denn mal los. Also zu Angeln allgemein und meine erste Frage gestellt.
Hallo, ich möchte grade mit dem Angeln anfangen, weiß aber noch nicht so recht wie und was. Was wäre denn für einen Anfänger eine geeignete Ausrüstung ?
Es dauert auch nicht lange, da hab ich schon die erste Antwort.
Was willst Du denn fangen ?
Uuups, ob das der Typ aus dem Angelgeschäft ist ?
Na, das weiß ich noch nicht so genau. Mit meinem Opa hab ich damals Karpfen gefangen, aber andere Arten interessieren mich auch.
Kurze Zeit später
Da musse inne Karpfenforum gehen, wennse Carps fangen willst.
Es folgen weitere Hinweise und Ratschläge, Meist betreffend dessen, was ich falsch gemacht habe. Aber gut, aller Anfang ist schwer. Ich beschließe, die Sache systematisch anzugehen. Bleiben wir doch bei den Karpfen. Also ab ins Karpfenforum und hier gefragt.
Hallo, ich bin absoluter Anfänger und möchte gerne mal auf Karpfen angeln. Nun suche ich Tips und Ratschläge für meine Erstausrüstung.
Einige Stunden später schau ich mal nach ob schon jemand geantwortet hat. Tatsächlich, 14 Antworten, toll. Also schau ich mal nach.
SUFU !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Nimm ne Rubby Drum Carbon, un ne Speedster3005, was besseres gibbet nich
Die Speedster ist Müll, nimm besser ne High Intention8000
Haste schon ein Rod Pod
Banksticks reichen doch für den Anfang
Also wenn Du mit dem Futter weit raus musst, brauchste unbedingt ne Futterrakete mit Abschussrampe
Und, und, und..
Ich sehe mich als Maschinenmensch am Ufer stehen. Während in meine Netzhaut Entfernungs- und Windrichtungsangaben projeziert werden, hebt hinter mir eine Cruise missile von der Abschussrampe ab, schlägt nach kurzem Flug ins Wasser und ich brauche die and er Oberfläche treibenden Karpfen nur noch einzusammeln.
Nee, hier bin ich falsch. Ich bedanke mich artig für die vielen Tip´s und beschließe doch lieber mit Raubfischen anzufangen. Also ab ins Raubfischforum.
Hallo, ich bin Anfänger und weiß noch nicht so genau, wie und was ich nun angeln soll. Hechtangeln interessiert mich schon, und ich bitte um Tip´s welches Gerät da für einen Einsteiger geeignet ist.
Auch hier dauert es nicht lange mit den Antworten.
SCHONZEIT !!!!!!!!!!!!
Ey sach mal, kannst nicht warten bis der Hecht wieder offen ist. Unglaublich.
Langsam Leute, er fragt doch nur nach Gerät
Jaja, das kennen wir, und morgen holt er die dicken Mamas raus.
Willst Du Spinnfischen, oder mit Köfi angeln ?
Köfi ist verboten !!!!!!!!!
Tot nicht !!!!!!!
Also bei Askari haben se grade nen Raubfischset
Askari ist doch voll Mist, geh lieber zum Händler deines Vertrauens.
Ich merke, das ich meine Fragen zu naiv stelle und beschließe hier zu retten, was noch zu retten ist.
Tschuldigung, hab mich nicht richtig ausgedrückt. Also, ich möchte nach Ende der Schonzeit gerne versuchen einen Hecht zu fangen. Natürlich nur mit erlaubten Mitteln. Leider bin ich Anfänger und weiß so gar nicht, was da das geeignete Gerät ist.
Weiter geht es mit den Antworten.
Also in keinem Fall Askari. Hol Dir besser gleich ne Blechpeitsche.
So´n Quatsch, für den Anfang brauchste keine Blechpeitsche, hol Dir einfach ne normale Rute und ne gute Rolle. Das reicht.
Ja klar, der erste große Hecht reißt ihm das Geraffel auseinander und schwimmt dann mit´m Vorfach im Maul rum und verreckt elendig.
Nee, ne Rute unter 200€ brauchste Dir gar nicht erst zu kaufen.
Ich versuche beruhigend einzugreifen
Ich will ja gar nicht so einen großen fangen, die kleinen schmecken bestimmt eh viel besser.
Mir ist so, als würden sich gleich nach abschicken meines Beitrages Eiskristalle am Bildschirmrand bilden. Aus den Lautsprecherboxen schien ein Eiskalter Hauch mein Gesicht zu streifen. Seltsam. 3 Minuten dauert es, bis die nächste Antwort kommt.
Musst Du gleich alles abschlagen ? Kannst Du nicht mal einem gefangenen Fisch die Freiheit zurückgeben ?
Kochpottangler mögen wir hier nicht. Geh zu nem Forellenpuff
Und dann auch noch in der Schonzeit
Ich find man sollte die kleinen zurücksetzen und die großen mitnehmen.
Die großen haben aber viel mehr Laich.
Man soll alle Hechte zurücksetzen
Bevor das hier wieder ausartet wird der Thread geschlossen.
Was ist das jetzt.? Oh Mann, schon wieder ins Fettnäpfchen getreten. Was mach ich bloß falsch ?
Ist das die richtige Freizeitbeschäftigung für mich ? Früher war angeln einfach nur in der Natur am Wasser sitzen, Freude haben und lernen. Lernen von meinem Opa, lernen von der Natur und lernen aus eigenen Erfahrungen. Man konnte einfach eine Angel kaufen, mit einer Rolle dran und Schnur drauf. Ein paar Schwimmer, Blei und Haken und gut war´s. Würmer aus dem Kompost, Käse oder Brot als Köder und schon gings los.
Genau, das war´s. Ich geh einfach los und kaufe, was ich für richtig halte. So schwer wird das doch nicht sein.
Also wieder ab zum Angelgeschäft.
„ Ach Hallo, das sind Sie ja wieder. Haben Sie sich überlegt, welche Angelart für Sie in Frage kommt ? „
„ Ja, habe ich. Sehr gut sogar. Ich komme schon zurecht „
So ließ ich den Verkäufer erst mal stehen und begab mich in die heiligen Hallen der Angelfischerei. Ich suchte mir eine Rute aus, die man zusammenschieben kann. Sehr praktisch. Sie schien mir sehr gut geeignet. Nicht zu kurz, nicht zu lang, nicht zu dick und nicht zu dünn. Eine Rolle war auch bald gefunden, schön silbern glänzend und sogar schon mit Schnur. Opas Korkposen gab´s auch, Klasse. Noch Bleie, Haken und – das hatte ich gelernt – Wirbel, brauch ich. Ach ja, einen Kescher und einen Hakenlöser brauch ich auch noch. Hab ich jetzt alles ? Ich denke schon, und wenn nicht, wird improvisiert.
Ach so, mein Enkelchen muss ja auch noch was haben. Ich erinnerte mich daran, das mein Opa mir damals einfach einen Weidenstock geschnitten hat. Vorne ein Stück Schnur und eine kleine Pose dran. So find ich am Ufer handlange Fische. Eine Mordsgaudi für mich.
Nun hielt ich einen Stock für nicht mehr zeitgemäß – ich war ja ein gebranntes Kind – wollte aber auch nicht zu viel Geld anlegen. Wer weiß, ob der Bengel überhaupt Spaß daran hat.
Im Lehrgang hab ich von einer unberingten Stipprute gehört. So was passt sicher.
Also noch eine kleine Stipprute gekauft, drei Meter sollten reichen, Schnur kann ich von meiner Rolle nehmen. Fertig.
An der Kasse zahlte ich, unter merkwürdigen Blicken des Verkäufers , meine 86,95 €. Ziemlich viel Geld für ein bisschen angeln, fand ich. Ich wollt schon grade wieder gehen, da merke ich, das ich ja auch eine Angelerlaubnis brauche. Einen „ Tagesschein „, wie es so schön heißt. Am besten geh ich mit meinem Enkel zum Waldteich, da ist´s ruhig und es gibt viel zu sehen. Auch den bekam ich und machte mich frohen Mutes auf nach Hause. Irgendwie fühlte ich mich stolz und befreit. Geschafft, ganz alleine.
Das Wochenende nahte, Sonntag sollte es mit Enkelchen zum Waldsee gehen. Samstags haben wir zusammen die Würmer aus dem Kompost geklaubt. Genau wie früher mit Opa. Und genau wie ich damals, entwickelte mein Enkelchen einen großen Eifer bei der Wurmjagd. Abends war er kaum ins Bett zu bringen, so aufgeregt war er. Schließlich hatte ich ihm ja auch schon erzählt wie ich damals mit meinem Opa angeln war. Und wie wir den großen Karpfen gefangen haben, den meine Oma dann am nächsten Tag zubereitet hatte. Wie hatte er sich über die kleine Stipprute gefreut. So eine große Angel und nur für ihn alleine.
Sicher hat er davon geträumt, wie er damit riesige Fische bändigt.
Ich muss zugeben, dass ich nicht viel weniger aufgeregt war.
Sonntagmorgen ging es dann nach dem Frühstück ab zum Waldsee. Es war noch sehr früh als wir ankamen. Aber morgens beißen die Fische am besten, hatte mein Opa immer gesagt. Zuerst wurde natürlich die Angel von meinem Enkel zusammengebaut. Er war schon mehr als nervös und wollte endlich seinen ersten Fisch fangen. Bald darauf hatte ich dann auch meine Rute fertig. Das auswerfen war noch etwas – sagen wir mal – verbesserungswürdig. Aber was soll´s, Hauptsache der Wurm ist im Wasser. Enkelchen starrte gespannt auf seinen Schwimmer, ließ keinen Blick davon. Wie ein Graureiher stand er gespannt und steif am Ufer.
Ich machte ihn auf eine fette Bisamratte aufmerksam, die Ihre Bahn an der Wasseroberfläche zog. Enten, Haubentaucher sahen wir still übers Wasser gleiten. Herrlich.
Knapp eine Stunde war vergangen, da tauchte aus den Morgennebeln ein Herr neben uns auf.
„ Petri „ knurrte er „ Angelpapiere „
„ Ja natürlich, einen Moment „ Ich reichte ihm den Fischereischein und die Tageskarte.
Er studierte beides und sagte dann „ Sie wissen, das das Kind nicht angeln darf „
Ich war völlig konsterniert. „ Wie bitte ? „.
„ Na, der ist doch grade mal sechs oder sieben ,da kann er doch gar keinen Jugendfischereischein haben „ antwortete der Herr.
„ Äh, nein, einen Fischereischein hat er nicht, er ist ja grade mal sieben geworden, wie soll er da einen Fischereischein haben, und wozu ? „
Es folgte eine ausführliche Belehrung das in Deutschland niemand ohne einen Fischereischein fischen dürfe, egal wie alt er wäre. Wie und ab wann ein Jugendlicher einen solchen bekommen könne und so weiter. Und dass Kinder eben nicht angeln dürfen, wenn sie zu jung dazu sind. Mein Einwand, das der Junge doch in keinem Fall irgendeinen Schaden anrichten könne, ich außerdem mit zwei Ruten fischen dürfe, aber selbst nur eine montiert habe, ließ er nicht gelten.
„ Passen Sie auf „ sagte der Herr. „ Ich finde das ebenfalls nicht in Ordnung, wie das hier geregelt ist. Aber ich mache die Gesetze nicht, ich kontrolliere nur. Ich werd jetzt gehen und habe weder Sie noch Ihren Enkel gesehen. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, das ich nicht der einzige Kontrolleur hier bin. Ich weiß nicht wie mein Kollege reagieren wird, wenn er Sie hier erwischt. „ Sprach´s und verschwand.
Gute zehn Minuten blieb ich sitzen und versuchte das eben gehörte zu verdauen. Keine Frage, das ich mich nun hier nicht mehr wohl fühlte. Keine Ahnung, wie ich meinem Enkel nun beibringen sollte, dass der Tag schon vorbei war. Ich hab ihm schließlich gesagt, dass ich was falsch gemacht habe und wir leider schon gehen müssen. Er war schon herb enttäuscht, der Kleine. Auf der Heimfahrt ging mir die ganze Geschichte noch mal durch den Kopf. Früher ist man einfach mit Opa ans Wasser gegangen. Heute muss man Lehrgänge absolvieren und Prüfungen bestehen. Und das schon als Kind, bzw. als Kleinkind darf man gar nicht mehr intensiv mit der Natur in Berührung kommen.
„ Du bist zu jung, um angeln zu können „ Das bedeutet auch: Du bist zu jung um die Natur verstehen zu lernen. Zu jung um Dich mit dem auseinander zu setzen, was die „ Alten „ für Dich „ schützen „ sollen. Schützen für Dich, der Du später gar kein Interesse daran hast.
Der kleine See mit all seinen Bewohnern wird Dir wahrscheinlich völlig egal sein, vielleicht sogar eklig und dreckig erscheinen. Fleisch wirst Du essen, wo es herkommt und das jemand für Dich tötet wirst Du kaum wahrnehmen. Du wirst vielleicht hier und da mal für den Natur- oder Tierschutz spenden. Ohne zu wissen, warum und was da schützenswert ist. Ohne zu begreifen, dass man die Natur nicht vor dem Menschen schützen kann, sondern dass sich der Mensch mit ihr arrangieren muss. Das der Mensch selbst ein Teil der Natur ist. Doch wie willst Du das verstehen, wenn man Dir verweigert als ein Teil der Natur zu leben ?
Meine neuen Angelsachen stehen verstaubt im Keller, die Stipprute meines Enkels steht dabei. Vielleicht, wenn er alt genug ist, das tun zu dürfen was eigentlich selbstverständlich ist, wird sie noch mal benutzt.
Zu Weihnachten hat er nun ein Angelspiel für seine Play Station bekommen. Dafür ist er scheinbar alt genug.
Grüßle
Rainer
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Re: Traurig aber (Deutsch) wahr...

Beitrag von Lahnfischer » 20 Mär 2015 19:20

Eine super erzählte Geschichte Rainer, man müsste eigentlich laut lachen, wenn es nicht soooo tarurig und realistisch wäre... :!: :D :roll:

Erinnert mich eigentlich auch total an den Beginn meiner Angellaufbahn:

Ich war als Kind Opas Liebling und verbrachte sehr viel Zeit mit meinen Großeltern. Opa konnte die besten Geschichten erzählen, auch vom Angeln, was er früherin der Nachkriegszeit freilich aus anderen Motiven wie heutzutage betrieb. Es ging damals um das blanke Überleben und darum, 5 hungrige Mäuler satt zu bekommen.
Meine Großeltern waren Deutsche aus dem Sudetenland, genauer gesagt aus dem heutigen Eger und wurden als solche von dort vertrieben.
Irgendwie schaffte Oma alleine mit 3 Kindern die Flucht, Opa war noch an der Front.
Auf Umwegen landeten sie schließlich in Braunfels an der Lahn und Opa kam dann aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft dazu.
Essen war verdammt knapp und Opa tat aus der Not heraus, was wir liebend gerne als Freizeitbeschäftigung machen, er angelte Fische.

Geangelt hatte er auch schon vor dem Krieg, also wusste er, wie und wo und worauf und war wohl recht erfolgreich, wie Oma und meine Mama dies immer bestätigten, zumindest ist keiner verhungert.

Jedenfalls hatte er in mir mit seinen Erzählungen die Neugierde geweckt und so etwa mit 11 oder 12 Jahren ergab es sich, dass ich im Urlaub in Kärnten am Ossiacher See eine Angel am Ufer fand, die scheinbar jemand dort vergessen hatte. Man musste mich glaube von diesem Zeitpunkt aus vom Wasser wegtragen, freiwillig lief da gar nichts und einig Barsche, Brassen und Lauben fing ich tatsächlich.
Im nächsten Jahr an gleicher Stelle hatte ich schon einiges mehr an Tackle, vor allem Dank Opa, und ich war wie besessen vom Angeln, bekam dann auch relativ zügig einen Fischereischein, eine Prüfung war damals noch glücklicher Weise keine Pflicht.
Ich angelte nun auch zuhause an der Lahn und irgendwann wollte es Opa dann wissen und unbedingt mit seinem Filius, wie er mich nannte, zusammen angeln gehen. Er besorgte sich entsprechend einen Fischereischein und kaufte sich über den Winter eine Angelausrüstung, im Frühling sollte es endlich gemeinsam losgehen.
Leider meinte es das Schicksal etwas anders, Opa erlitt einen schweren Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte und einige Monate später verstarb, noch bevor es auch nur einen einzigen gemeinsamen Angeltag gab. Für mich war das damals ein riesen Verlust, aber die Lust am Angeln habe ich natürlich beibehalten und sogar immer mehr ausgebaut.
Ich denke auch heute noch sehr oft an meinen Opa, widme ihm den einen oder anderen gefangenen Fisch und bilde mir dann ein, dass er nun oben vom Himmel öfters auf mich herab schaut und verdammt stolz auf seinen angelnden Filius sein wird... :D

Scheiße, fang an zu heulen wie ein kleiner Bub hierbei... :cry:
Zuletzt geändert von Lahnfischer am 20 Mär 2015 19:57, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Thomas

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Re: Traurig aber (Deutsch) wahr...

Beitrag von Steinbuttt » 20 Mär 2015 19:53

... traurige, aber leider sehr reale Geschichte, die die Problematik gut auf den Punkt bringt ... danke für's einstellen, Rainer!

Gruß Heiko

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Re: Traurig aber (Deutsch) wahr...

Beitrag von Fishermanslure » 23 Mär 2015 17:29

Oh Thomas, da habe ich wohl mehr Emotionen geweckt, als ich selbst wollte. Ich bin mir sicher, dass du "da oben" einen wohlwollenden Beobachter hast, der es mindestens ebenso wie du bedauert, dass leider nichts mehr aus dem gemeinsamen Angeln wurde.

Ansonsten ist das für mich DER Mustertext für alle Befürworter der momentan in Deutschland gültigen Regelungen bezüglich des Fischereischeines. Man braucht keine Ausbildung für's Haustierhalten oder gar das Nutzen von Tieren, z. B. als Reiter und ausgerechnet bei den eigentliche "niederen" Tieren, namentlich den Fischen, ist eine Ausbildung, und vor allem was für eine, Pflicht...
Grüßle
Rainer
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Re: Traurig aber (Deutsch) wahr...

Beitrag von Team Hiroshi » 10 Nov 2015 19:43

Tag auch!

Ich lese das immer wieder gerne auch wenn der Tread schon paar Monate her ist.... Ist er doch so real und nach wie vor keiner Überarbeitung notwendig geworden die ihn nicht weiter lesenwert erscheinen ließen....ist immer noch Stand von heute - und morgen sicher auch... Bin deshalb nach wie vor der Hoffnung auf ein "übermorgen"? Na mal sehen und bis dahin ab und an wieder lesen wenn´s zu lange dauert....

Gruß!

Florian
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Re: Traurig aber (Deutsch) wahr...

Beitrag von Maikhro » 29 Nov 2015 16:42

Habe beide Geschichten super gerne gelesen,und muss zugeben nachdem ich Lahnis Geschichte zuende gelesen habe kammen mir auch fast die tränen(war bei mir und mein Opa ähnlich)!

Grundproblem von Gesetzen und Bestimmungen+das diese nicht für alle gleich gelten ist echt frustrierend...
(Touristenfischereischein ist nur mal ein Bsp. ...)


LG und Petri Heil!

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