Offener Brief an die Kanzlerin

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Thomas Kalweit
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Offener Brief an die Kanzlerin

Beitrag von Thomas Kalweit » 28 Sep 2010 11:39

Der Verband Hessischer Fischer hat einen offenen Brief an Frau Merkel geschrieben:
Verband Hessischer Fischer e.V. * Rheinstraße 36 * 65185 Wiesbaden Rheinstraße 36
65185 Wiesbaden
Tel.: 0611/302080

Frau Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1 Datum: 16.09.2010
10557 Berlin

Strom aus Wasserkraft
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
kürzlich hatten Sie eine Reise quer durch Deutschland unternommen, um sich über Möglichkeiten der Stromgewinnung in verschiedenen Kraftwerken zu informieren.
Wir begrüßen sehr, dass Sie sich umfassend informiert haben.
Sie besuchten auch das Rhein-Wasserkraftwerk in Rheinfelden.
Wir gehen davon aus, dass sie als diplomierte Physikerin auch ein wenig von der Materie Stromgewinnung aus Wasserkraft verstehen und sich auch über die damit verbundenen vielfältigen und nachhaltigen Probleme in unseren Fließgewässern informiert haben.

Allerdings wissen wir aus reichhaltiger Erfahrung, dass man es von Seiten der Kraftwerksbetreiber vermeidet, ernsthafte Probleme der Wasserkraft im Zusammenhang mit der Ökologie eines Fließgewässers entweder nicht anzusprechen oder die Probleme schön zu reden.

Meistens werden dann die positiven Seiten der Wasserkraft in Bezug auf die weitgehend emissionsfreie Energiegewinnung überbetont aber die vielfältigen ökologischen und tierschutzrelevanten Probleme der Fließgewässerbiozönosen entweder nicht angesprochen oder kleingeredet.

Weil heute wegen der anhaltenden und auch von Ihnen selbst immer wieder angestoßenen CO2-Problematik und dessen angebliche Wirkung auf das Weltklima, wird der Ausbau der Wasserkraft bzw. deren Förderung als sogenannte „erneuerbare Energie“ scheinbar weiter voran getrieben.
Sicher hat man Ihnen bei Ihrem Besuch in Rheinfelden von Seiten der Wasserkraft-Lobby die „Vorzüge“ der Wasserkraft in den einseitigsten und glorifizierendsten Ansichten dargestellt.

Leider ist aber die Wasserkraft eine unglaublich zerstörerische Form der Energiegewinnung mit einer unglaublich negativen Wirkung auf die Gewässer und deren Lebensräume, die es auch zu schützen gilt. In diesem Zusammenhang sollten Sie wissen, dass fast 70 Prozent aller Tierarten im – oder im direkten Umfeld unserer Gewässer ihren Lebensraum haben.
Dieser Lebensraum ist aber zugleich der empfindlichste und für Störungen sensibelste und die Wassertiere haben keinerlei Möglichkeit aus ihrem Lebensraum zu flüchten. Mit anderen Worten:

Diese Tiere sind auf Gedeih und Verderb an diesen Lebensraum gebunden. Deshalb ist diesem Lebensraum ein besonders hoher, umfassender und permanenter Schutz zu gewähren.

Da Sie als Bundeskanzlerin die Richtlinien der Politik bestimmen, liegt es ganz wesentlich in Ihrer Hand, wie wir zukünftig mit der Behandlung unserer Gewässer verfahren wollen.
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie hat zwar bestimmte und umfassende Vorgaben festgeschrieben, doch ist in diesem Zusammenhang heftig zu kritisieren, dass man aus finanziellen Gründen die Maßnahmenpläne, zeitlich wie auch fachlich vorgegeben, nicht genügend erfüllt oder bei der Beurteilung der notwendigen Maßnahmen den Handlungsspielraum zur Schlechterfüllung nutzt oder zeitlich nach hinten verschiebt.

Hier sollten Sie klare Vorgaben machen, denn unsere Gewässer sind die „Lebensadern unserer Landschaft“ und daher die wichtigsten Bestandteile unserer Natur und der Menschen.

Damit Sie sich ein Bild über die Einflüsse der Stromgewinnung aus Wasserkraft – fälschlicherweise auch „Ökostrom“ genannt – machen können, haben wir Ihnen in der Anlage eine Aufstellung beigefügt, die die wesentlichsten Probleme darstellt und Ihnen eine Hilfestellung bietet, diese Art der Stromgewinnung auch aus Sicht der Ökologie eines Fließgewässers und Lebensraumes besser einschätzen zu können.

Als Physikerin können Sie wohl die meisten der dargestellten Probleme fachlich nachvollziehen und beurteilen.

Wir wären Ihnen daher sehr verbunden, dass diese dargestellte Problematik künftig besser beachtet und auch wirklich berücksichtigt wird.
Dabei wissen wir sehr wohl, welcher Druck Ihnen von Lobbyisten, die unter dem Deckmantel des Klimaschutzes den weiteren Ausbau der Wasserkraft propagieren, gemacht wird.

Lassen Sie sich bitte nicht beirren und stellen Sie als Kanzlerin als auch durch die Bundesregierung Ihre wichtige Verantwortung für unsere Gewässer und deren Lebensräume heraus.

Was die permanenten, massenhaften Schädigungen und Tötungen von Wassertieren direkt durch die Wasserkraftanlagen betrifft, so steht Ihnen das Bundestierschutzgesetz und vor allem auch das Grundgesetz mit Art. 20a zur Seite.

Die gesamte Fischerei in Deutschland mit weit mehr als 1 Million organisierten Mitgliedern kennt die in diesem Schreiben wie auch in dem beigefügten Positionspapier dargestellte Problematik und arbeitet selbst allerorts und mit großem, fachlich fundiertem Engagement und Nachdruck daran. Die Fischerei und alle dem Natur- und Artenschutz nahestehenden Menschen warten darauf, dass unsere Fließgewässer wieder wirklich zu Lebensadern unserer Natur und Landschaft werden.

Wir hoffen daher sehr auf Ihre werte Unterstützung!

Mit freundlichen Grüßen

(Winfried Klein)
Ref. f. Öffentlichkeitsarbeit
Online-Redaktion FISCH & FANG / DER RAUBFISCH
E-Mail: thomas.kalweit@paulparey.de

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Thomas Kalweit
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Re: Offener Brief an die Kanzlerin

Beitrag von Thomas Kalweit » 28 Sep 2010 11:50

Auch die Österreicher sind an dem Thema dran. Hier eine aktuelle Pressemitteilung des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz:
Kein Steuergeld für Naturzerstörung
Mehr Geld für sanfte Energie von Sonne, Wind und Erdwärme

Die geplante Kapitalerhöhung des Verbunds zum Ausbau der Wasserkraft könnte eine Lawine von neuen Kraftwerken in Österreich zur Folge haben. Diese Kraftwerke würden auch die letzten intakten Flüsse Österreichs bedrohen. In Österreich gibt es nur noch rund 20 Prozent intakter Fließstrecken, auf die wir besonders aufpassen müssen.

Strom aus Wasserkraft ist keineswegs umweltfreundlich
Ausgetrocknete Flussbette, starke Wasserstandsschwankungen, fehlende oder nicht funktionierende Fischaufstiegshilfen, Faulschlammablagerungen und Stauraumspülungen zerstören die Natur und gefährden die Artenvielfalt aller Wasserlebewesen. Wasserkraft ist zwar erneuerbar, Natur und Flusslandschaften aber nicht. Dennoch wird die Zerstörung unserer Flüsse immer noch mit Steuergeld gefördert.

So ist diese Finanzspritze ist nicht nur für den Staatshaushalt, sondern auch in punkto Naturschutz ein Skandal. Vier der fünf vom Verbund geplanten Kraftwerke, die mit dieser Kapitalerhöhung finanziert werden sollen, liegen in sensiblen Gebieten: Stegenwald, Gratkorn/Stübing, Gries und Jochstein. Letzteres liegt noch dazu im Natura-2000-Gebiet.

Mit massiven Förderungen wird derzeit in Österreich die Wasserkraft, insbesondere die Kleinwasserkraft unterstützt! „Schade ist es, dass die Republik Österreich die 510 Mio. Euro aus dem Budget nicht für Gebäudesanierungsmaßnahmen, eine Solaroffensive oder die Förderung von Wind- und Erdwärmeenergie verwendet!“, so Helmut Belanyecz, Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz ÖKF.

Bundeskriterienkatalog soll Bedingungen zum Wasserkraftausbau regeln
Derzeit wird unter Einbindung von E-Wirtschaft, Behörden, NGOs, Wissenschaft und Sozialpartnern ein Bundeskriterienkatalog erarbeitet, der die Kriterien für den weiteren Ausbau der Wasserkraft erst festlegen soll. Nun stellt sich hier die Frage: „Wozu?“. Das ÖKF setzt sich seit langem für die Erarbeitung eines Masterplans Wasserkraft - um eine nachhaltige Strategie zu entwickeln - ein und war in diversen Arbeitsgruppen zur Erarbeitung des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan beteiligt. „Wenn jetzt aber bereits feststeht, welche Kraftwerke gebaut werden sollen, wird die Sinnhaftigkeit des erst auszuarbeitenden Bundeskriterienkataloges in Frage gestellt und mit dieser Vorgangsweise nachhaltig beschädigt.“

Die Zukunft heißt Energieeffizienz – diese sollte massiv gefördert werden
Durch Steigerung der Energieeffizienz, Energiesparen und Umstieg auf erneuerbare Energieträger wie Sonnenenergie, Windkraft und Erdwärme kann der Druck von den letzten noch unverbauten Flüssen genommen werden. „Mehr Geld für sanfte Energie und Energiesparen!“, fordert das ÖKF.

Die artenreiche Vielfalt unserer Fließgewässer muss als Naturerlebnis für uns und unsere Kinder erhalten bleiben!
Online-Redaktion FISCH & FANG / DER RAUBFISCH
E-Mail: thomas.kalweit@paulparey.de

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Re: Offener Brief an die Kanzlerin

Beitrag von Teye » 28 Sep 2010 14:44

Tja, auch hier lässt sich die Polemik eines Lobbyisten nicht leugnen. Ohne Energiegewinnung geht es nicht, wir fahren auch mit dem Wagen zum Fischen. Alles ist besser und überschaubarer, als auf Atomkraft zu setzen.

Gruß

Mathias
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Re: Offener Brief an die Kanzlerin

Beitrag von Karsten » 07 Okt 2010 04:45

Hallo!
Vollkommen zwecklos dieser Brief, die wird sich hüten darauf einzugehen, denn von der Lobby der Kraftwerksbetreiber ist mehr Geld zu bekommen. Ökologie kostet Geld und das ist dafür nicht vorgesehen. Angler sind das Volk, Volk interessiert nicht. Ein Beispiel ist Stuttgard 21, ein Beispiel wie wirklich in diesem Staat, von dieser Regierung, das Volk aktzeptiert und behandelt wird.
Karsten
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Re: Offener Brief an die Kanzlerin

Beitrag von Holland » 07 Okt 2010 07:38

Guter Brief. Versuchen mussman es! :D Die Hoffnung ist jedoch gering, da wir eine Lobbyismus-Politik haben und da zählt nur das pure Geld, es sein denn , mann würde eine gewaltige öffentliche Empörung wahrnehmen, welche Wählerstimmen kosten könnte.! :wink:
Aber das ist wohl in dem Maße nicht zu erwarten! :(

Gruß
Nanni :mrgreen:
Suche bodenständigen Angelkumpel aus meiner näheren Region für gemeinsame Unternehmungen!

Niederbayer

Re: Offener Brief an die Kanzlerin

Beitrag von Niederbayer » 07 Okt 2010 09:04

Das mit den Wählerstimmen wird das Problem nicht sein, denn aktuell ist es sowieso so, dass die Partei, die an der Macht ist, Stimmen verliert!
Man hat sich nämlich in den letzten Jahren immer mehr dahin verlagert, dass die Opposition mal einfach gegen die Entscheidung der "Regierung" ist (egal ob eine gute oder schlechte Entscheidung gefällt wurde), damit diese an Ansehen verlieren und man bei der nächsten Wahl wieder selbst ans Ruder kommt!
==> Leider funktioniert es so! Das geht auf Kosten der Menge an Entscheidungen...

Aber prinzipiell habt ihr Recht mit dem Lobbyismus ==> Die Politik ist gesteuert von der Wirtschaft!
Ein typisches Beispiel ist unser "Treibstoff". Wir könnten seit 15 Jahren mit Wasserstoff-Autos fahren, aber an dieser Technik ist nur ein Bruchteil an Steuern verdient und deswegen untergegangen...
Wenn die Wirtschaftskrise nicht gewesen wäre und die Automobilhersteller nicht alle ganz stark zu kämpfen gehabt hätten, wäre die Entwicklung der Elektro-/Hybridautos heute noch nicht wirklich vorangegangen!
Ich erinnere mich an einen Opel Corsa vor ca. 10-15 Jahren, der 3 Liter Sprit gebraucht hat/hätte!!! Gute Idee... aber man hat ihn gleich mal im Preis so weit nach oben gesetzt, dass es hinterher hieß dass das Volk kein Interesse daran hat!

Natürlich darf das Haushaltsloch nicht noch zusätzlich wachsen, aber die Frage ist auf welche Kosten das geht...

Um zum Thema zurückzukommen:
Der Brief/die Briefe sind zwar nicht schlecht geschrieben, aber man wird deswegen nix ändern!
Was aus meiner Sicht aber nicht schlecht ist, dass sich unsere Lobby (die Angler) mal zu Wort gemeldet haben und dass man auch die Angler immer im Hinterkopf hat! Denn wenn sich nie jemand aus unseren Reihen meldet, dann werden wir auch immer übergangen, weil wir ja faktisch nicht wirklich vorhanden sind!

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bundyman
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Re: Offener Brief an die Kanzlerin

Beitrag von bundyman » 07 Okt 2010 18:47

Niederbayer hat geschrieben: Ein typisches Beispiel ist unser "Treibstoff". Wir könnten seit 15 Jahren mit Wasserstoff-Autos fahren, aber an dieser Technik ist nur ein Bruchteil an Steuern verdient und deswegen untergegangen...
Wenn die Wirtschaftskrise nicht gewesen wäre und die Automobilhersteller nicht alle ganz stark zu kämpfen gehabt hätten, wäre die Entwicklung der Elektro-/Hybridautos heute noch nicht wirklich vorangegangen!
<sorry fuers OT>
Nunja, Wasserstoffherstellung/Transport und Lagerung ist recht energieverschlingend und etwas problembehaftet.
Hybridautos sind nun auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluss. Die komplexe Technik macht die Dinger sehr schwer, der Minderverbrauch nun auch nicht so dolle...
Elektroautos sind nun der totale Unsinn.
Extrem geringe Kapazitaet, lange Ladezeiten, hochtoxisch, keinerlei Langzeiterfahrung bezueglich der Akkus.
Zudem entsorgungstechnisch Sondermuell hoechster Guete.
Der Flop ist vorprogrammiert! Nebenbei, ab naechstes Jahr gibts den iMiev fuer irgendwas zwischen 30.000 und 35.000 EUR, den baugleichen von PSA nur ueber Leasing fuer 450 (?) EUR im Monat.
Nebenbei, die Euro Standardkilowattstunde Strom liegt CO2 technisch bei etwa 600g/kwh. (klar kann man 1kwh nicht direkt mit 1l Sprit gleichrechnen, trotzdem so fuerchterlich umweltfreundlich ist das nun auch wieder nicht...)
Und auch die Lithiumvorraete reichen (bei derzeitigem Verbrauch noch etwa 35 Jahre)...
(Aber OK, derartige Propaganda wird auch uebers Erdoel seit 35 jahren verbreitet)...
<OT Ende>

Aber ick schweife ab, eigentlich gings ja um den Brief an die Kanzlerin... :wink:

Daher waere dieser Brief eher angebracht... :mrgreen:

http://www.wir-treten-zurueck.de/
----
"Du redest von Bier? Du redest in meiner Sprache!"
[Al Bundy]

Niederbayer

Re: Offener Brief an die Kanzlerin

Beitrag von Niederbayer » 07 Okt 2010 22:28

@ bundyman
Ich widerspreche Deinen Aussagen nicht...
Mir ging es viel mehr darum aufzuzeigen, dass die Erfinder weltweit schon etliche Ideen gehabt hätten, um was an der Situation an sich zu ändern...
Vieles wurde aber wegen gewissen Lobbies nicht umgesetzt!
Ein 3-Liter-Auto ist kein Traum und hätte bereits vor 10 Jahren problemlos in Serie gehen können - warum das nicht so gekommen ist, kann man an einem Finger ausrechnen!!!

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