Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I-III)

Von nah bis fern

Moderator: Thomas Kalweit

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Chinook
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Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I-III)

Beitrag von Chinook » 11 Aug 2008 18:39

Eigentlich komisch, dass die Schweiz als Anglerland wenig auffällig ist. Betrachtet man Berichte über
die unterschiedlichen Alpennationen in einschlägigen Magazinen und Internetpräsenzen, liest man
viel über die österreichischen Traumgewässer, die grandiosen Flüsse Südtirols oder verträumten
Geheimtipps im Alpenrandbereich Sloweniens. Nur mit der Schweiz wird's etwas dünne.
Und das ist wirklich schade, denn dieses, nach unserer gemachten Erfahrung, tolle Anglerland, hätte
wirklich etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.
Doch bevor hier weiter berichte wird, etwas vorweg:
Die Schweiz ist eine Konföderierten-Nation und kein Staat nach unserem Verständnis.
Das ist wichtig zu wissen, da alles hier Erzählte sich auf die, von uns besuchten, Kantone bezieht
und beispielsweise bestimmte Regelungen im Kanton A, im Kanton B ganz anders sind; sogar bis
zum Steuerrecht. Kantone mit unseren Bundesländer zu vergleichen geht schon deshalb fehl, weil
die Kantone mit viel mehr Rechten, Macht und Eigenständigkeit ausgestattet sind. Beispielsweise wurde
das Wahlrecht für Frauen erst 1990 im Kanton Appenzell per Gerichtsbeschluss eingeführt. Was also
Fischereirechtliches angeht ist kaum eine generelle Aussage über die Schweiz möglich, ausser, dass
es relativ unkompliziert ist für jedes gewünschte Gewässer Patente (Tages-oder Wochenkarten)
zu erhalten; in der Regel im Tourismusbüro oder bei der Gemeindeverwaltung. In manchen
Kantonen erhält man nur Patente für einen bestimmten See- oder Flussabschnitt, in einem anderen
für gesamte Gewässersysteme oder sogar, wie im Tessin, für den ganzen Kanton. Die Preise für
Patente sind größtenteils mit unseren vergleichbar bis günstiger. Unser billigstes Patent betrug € 6.-,
das teuerste € 19.- (Doubs und Nebenflüsse) pro Tag.
Besonders die Freundinnen und Freunde des Stippens werden an den wunderschönen Seen der
Schweiz auf ihre Kosten kommen: das Befischen vom Ufer aus mit natürlichen Ködern (Brot, Made,
Käse aber keine Köderfische!), Pose und Einfachhaken ist kostenfrei! Eine Nachfrage bei Tourismusbüro
sollte man dennoch nicht umgehen, da dort in der Regel auch die ausführlichen Bestimmungen zur
Fischerei erhältlich sind. Das kostenfreie Stippen setzt natürlich nicht die Fischgerechtigkeit aus.
Wer das erste mal diese Bestimmungen in der Hand hält fällt von der Textfülle erst mal um. Aber ein
ausführliches Lesen lohnt, denn hier sind nicht nur die Schonmaße zu finden, sondern auch in ausführlichster
Art die Regeln zur Fischerei, die so präzise formuliert sind, dass kaum gesetzliche Grauzonen und
Rechtsbeugungen möglich sind.

Artikel 24 (Kanton Jura):
Die gefangenen Fische werden im Zweifelsfall mit einem,
für das Messen geeigneten Instrument gemessen.
Die Länge der Fische wird zwischen dem Mund und dem
Ende der ausgebreiteten Schwanzflosse bestimmt.


... Zuwiderhandlung "erfolgt richterliche Vorführung" ...

Klar wurde uns in der Schweiz aber auch, dass diese nicht zu den großen Fischereinationen im Hobbybereich
gehört. Trotz des schweizer Vorzeige-Fliegenfischers Charles Ritz (Ruedi Hebeisen verzeih!) ist diese Art des
Fischens, gemessen an der reichen Zahl an hochwertigen Fließgewässern, eher unauffällig. Kann natürlich sein,
dass es auch an dem undankbaren Monat August gelegen hat und wir allein an den Wassern rumwedelten.

Was es nun mit den Seehunden auf sich hat, folgt im nächsten Teil
Zuletzt geändert von Chinook am 14 Aug 2008 13:57, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I)

Beitrag von Iceman1 » 11 Aug 2008 22:56

Hallo Conny

Da bin ich aber mal gespannt :D

Gruss Walter 8)
[img]http://img50.imageshack.us/img50/3438/iceman1nt0.png[/img]

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I)

Beitrag von Barta0815 » 11 Aug 2008 23:55

und ich erst... :wink:

gruß vom niederrhein

matthias
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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I)

Beitrag von Ulli3D » 12 Aug 2008 09:28

Ich hoffe, nach dem Vorspiel kommt es dann zum Höhepunkt (zur Geschichte) 8)
Petri Heil aus Sankt Augustin

Ulli

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Chinook » 13 Aug 2008 11:28

Das der Rhein nicht kurz hinter Wesseling entspringt ist auch so manchem Kölner klar. Wir wählten daher eine
Anreiseroute, die uns möglichst dicht am Rhein in die Schweiz führen sollte. Es war daher auch sehr angenehm
unsere erste Nacht im Womo, unsere erste Womo-Erfahrung überhaupt, im kleinen Rheinstädtchen Selz im
Elsass zu machen und wurden in der Dämmerung ganz kirre als wir am Ufer einen prächtigen Rapfen aus
dem Wasser steigen sahen. Alsdann ging es den Rhein entlang bis nach Schaffhausen. An unseren Rasten
am Wasser waren wir von der beeindruckenden Zahl an Döbeln beeindruckt, die groß und souverän wohl diesen
Rheinabschnitt dominierten. Der Knaller aber kam am Rheinfall in Schauffhausen als wir in einem ruhigen
natürlichen Becken am Rande des Wasserfalls eine solche Menge der Klotzköpfe sahen, dass wir meinten
in ein überfülltes Koi-Becken zu schauen. Ja, der Tourismus. Hier lässt jeder gerne mal eine Fritte oder Kuchen-
krümel im Vorbeigehen ins Wasser fallen. Diese Döbel, die meisten fett und 50+, schienen derart zutraulich
zu sein, daß ich es einfach wagen musste. Ich klatschte mehrfach mit der flachen Hand aufs Wasser und ...
sie kamen tatsächlich angeschwommen. Ich konnte mich dem Gefühl nicht verwehren gerade einer Piranja-
Attacke entgangen zu sein.
Bild
(Döbelparty)

Im "Sturzflug" ging es dann an den Vierwaldstättersee unserer ersten Wunschregion. Die Schweiz hat viele
großartige und schöne Seen; der Vierwaldstätter erscheint uns aber als der schönste. Glaubt man manchmal
an der Riviera zu sein, so erinnerten uns viele andere Stellen dort an die Fjordlandschaften Norwegens.
Der gesicherte Bestand von dreißig Fischarten in diesem See, u.a. Seesaibling, Zander, Hecht, Renke, sowie
Albeli und Egli, ließen uns nicht lange zögern, die insgesamt preisgünstigeren Wochenpatente zu kaufen,
obwohl wir nur vor hatten so vier Tage zu bleiben. Die WK liegt so bei € 20.-  und wir wurden (natürlich) mit
ausführlichen Fischereibestimmungen ausgestattet. So erfuhren wir auch das mit dem Egli unser Barsch
gemeint ist und der (oder das?) Albeli eine Bonsai-Renke und Delikatesse ist. Nur das Fischen mit dem
Seehund ausschließlich im Seeabschnitt A und B ließ unsere Fantasie galoppieren. Sahen wir doch vor
unserem geistigen Auge ausgemergelte Robben mit traurigen Glubschaugen, ausgestattet mit einem Ring um
den Hals, der das Herunterschlucken des erbeuteten Fisches verhindert, des Fischers Korb füllen. Was für
ein Skandal in der ansonsten tierlieben Schweiz.
Bild
(Im Bereich des kleinen Halbinselfingers war unser Standort. Direkt neben dem Seehundabschnitt A)

Wie bereits erwähnt, ist wohl das Angeln nicht so sehr des natürlichen Schweizers Sache. So blieben auch Rückfragen
nach den Seehunden unbeantwortet. Erst eine Nachfrage bei einem Berufsfischer an seiner Verkaufsbude brachte Licht
ins Dunkel und verhinderte unsere Einschaltung der Peta. So ein Seehund ist ein katameran-artiges Flößchen, was von einem Boot in Schlepp
genommen wir und an dem mehrere Hakenschnüre befestigt sind. Wir hoffen, dass der Herr Kalweit das sicher
qualifizierter erklären kann.
Was das Fangen von Saiblingen anging, machten wir uns wenig Hoffnung, da der See schon seit längeren in
einer Schönwetterperiode war und diese Bunten sicherlich in den tiefsten Tiefen auf den Herbst warteten.
Ein Blick auf die reichlichen Verkaufsbuden der Berufsfischer am See bestätigte in gewisser Weise unsere
Annahmen: "Heute keinen frisch gefangenen Saibling", war oftmals auf den Tafeln zu lesen.
So stellten wir uns auf Egli, also Barsch ein, der sowieso zu unseren beliebtesten Speisefischen zählt.
Potentiell gute Stellen (reichlich) waren schnell gefunden und wir entschieden uns einige Anleger und Stege
der palmenbegrünten Promenaden aufzusuchen. Jeden Fang, so schwörten wir uns ein, wollten wir als Bonus
sehen. War es doch auch ein Experiment, zu sehen, wie wir mit unseren Spinn- und Stippruten klarkommen;
an Fliegenfischen war hier nicht zu denken.
Bild
(Was mache ich nur mit diesem Gummiteil?)

Der See ist schon um Uferbereich recht tief aber ausgesprochen klar, so daß man bis drei, vier Meter Tiefe keine
Probleme hat irgend etwas auszumachen. Ein kleiner Wobbler (ummontiert mit Einfachhaken, widerhakenlos) sollte
einen trägen Trupp Eglis etwas aufmischen. Wahrscheinlich überträgt sich das schweizer Lebensgefühl auch auf
die Fauna des Landes. Gemächlich wurde der Köder von allen Seiten inspiziert, diskutiert und per Volksentscheid
abgelehnt. Weiteren Ködertypen erging es ähnlich. Am Standplatz lag es vermutlich nicht. Hatten sich doch
zwischenzeitlich einige "einheimische" Vietnamesen nach Feierabend zu uns gesellt um ihr Glück mit einer Spinner-
Made-Kombi zu suchen. Es wurde offensichtlich, daß wir an "ihrer" Stelle nichts zu suchen hatten, da sich mal der eine
oder andere immer so in unserer Nähe positionierte, daß ein Auswerfen schwierig wurde. Ein freundliches "Exküsi"
brachte zwar kurzfristig mehr Raum, aber nicht für lange. Die ständigen Irritationen sorgten dann auch dafür, dass ich,
bei einem unkoordinierten Rückschwung, meinen kleinen Wobbler (zwischenzeitlich ein anderer, 8 Gramm) an den,
hinter mir befindlichen, Laternenpfahl semmelte und dieser "in Scherben" lag. Tja, am falschen Ende gespart.
Das Billigteil, so konnten wir feststellen, hätte vermutlich nicht mal einem Baby-Hecht Widerstand leisten können.
Nervig war auch die Suche nach den beiden weggespratzten Haken. Laufen hier doch Kinder und Hunde barfuß
herum und sollen sich nicht verletzten. Für uns wurde auch nachvollziehbar, warum so mancher Kanton, aus-
drücklich und namentlich, nur Rappala-Köder vorschreibt!
Neben den ergreifenden Sightseeing-Touren in der Region verlegten wir das Fischen in die Abendstunden und
ließen an einem der vielen öffentlichen Grillplätze am Seeufer die Seele baumeln. Stippe ablegen, lesen, träumen,
sonst nichts.
Bild
(Der erste Sonnenbrand muss erst mal weggeschlafen werden)

Die öffentlichen Grillplätzen allerorten im Kanton Schwyz sind ein angenehmer Service. Sind diese doch
stets mit ausreichen Holzscheiten beschickt, die kostenlos frei zur Verfügung stehen. Das sich jemand die Feuerholz-
bestände als Wintervorrat mit nach Hause nimmt, kommt nicht vor.
In den Tagen hatte unser Hund so ziemlich alle Kinder unter sechs Jahren im Bereich unseres Standortes im Schlepp.
Es war daher nur ein Frage der Zeit, wann das Interesse der Kinder sich auch auf uns richtete. Angeln interessiert
Kinder, soviel steht fest. Und so war deren Interesse auch unermüdlich vieles über Fisch und Natur zu erfahren.
An dieser Stelle muss mal eine Lanze für viele Eltern gebrochen werden. Die Eltern, die wir kennenlernten, standen
ausnahmslos positiv dem Angeln gegenüber, hatten aber (auch ausnahmslos) keine Ahnung, wie sie dem Wunsch
ihrer Kinder begegnen konnten. Wir denken, dass diese Hilflosigkeit oftmals den Weg zu diesem schönen Hobby
versperrt und eine kluge Kinder- und Jugendarbeit in unserem Lande Not tut.
Kurz und gut: nichts gefangen aber erste Gehversuche im Bereich (wie sagt man heute?) Wildnis-Pädagogik.

Wie das Fischen in Hochgebirgsbächen und an Albseen jenseits der 2000 Höhenmeter ist schon bald geschrieben ...
Zuletzt geändert von Chinook am 13 Aug 2008 14:45, insgesamt 1-mal geändert.

Eisangler

Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Eisangler » 13 Aug 2008 11:43

Klasse!!! :wink:

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Ulli3D » 13 Aug 2008 11:57

*****Träum*****

Bin schon auf die nächste Folge gespannt.
Petri Heil aus Sankt Augustin

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Barta0815 » 13 Aug 2008 12:22

oh man...das liest sich besser als jedes buch conny :wink:

freu mich schon aufs fischen :lol:


gruß vom niederrhein

matthias
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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Thomas Kalweit » 13 Aug 2008 12:58

Ich hatte im Mai auch die Möglichkeit in der Schweiz in der Nähe von Luzern den Forellen nachzustellen (Artikel über Perlmuttköder im nächsten RAUBFISCH). Daher kann ich Chinooks Ausführungen voll nachvollziehen. Spitzenmäßiger Lesestoff! Nur etwas bilderarm :cry:
Online-Redaktion FISCH & FANG / DER RAUBFISCH
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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Chinook » 13 Aug 2008 14:46

Zorry, Thomas! Wir haben dieses mal mehr gefilmt als geknippst. Daher auch
ein leichter Mangel an Fotos ...
Ein wenig habe ich ergänzt.
Bild
(Ein Gruß aus Luzern)

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Thomas Kalweit » 13 Aug 2008 15:42

Köstlich! Ich liebe Deine Wilson-Wilson-Bilder :wink:
Online-Redaktion FISCH & FANG / DER RAUBFISCH
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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Iceman1 » 13 Aug 2008 20:58

Super Conny :D

Liest sich wirklich wie ein Buch ! Du solltest Schriftsteller werden ! :D

Gruss Walter 8)
[img]http://img50.imageshack.us/img50/3438/iceman1nt0.png[/img]

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I+II)

Beitrag von Smile » 13 Aug 2008 22:29

Bild
Applaus Applaus
...."May the holes in your net be no larger than the fish in it. ~Irish Blessing"
Besser geht es ohne TSKH

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I-III)

Beitrag von Chinook » 14 Aug 2008 14:06

Unser nächstes Ziel war der Nationalpark um Eiger, Mönch und Jungfrau im Berner Oberland.
In dieser Region, so vermuteten wir, war nur Hochgebirgswandern angesagt bis der Arzt kommt.
Also erst mal Fischen für mindestens eine Woche Ade. Die Anreise ließ Zeit für einen kleine Stopp
in Luzern an der Reuss, dem (Ab)fluss des Vierwaldstättersees. Ein touristisches Muss ist der Gang
über die alte historische Holzbrücke und Wahrzeichen der Stadt. Ein letzter Blick auf den See und
den Fluss ließ etwas Wehmut aufkommen. Es war nicht nur der Abschied von einem schönen Teil
unseres Urlaubs, nein, auch die Vorstellung, dass die Wasser des Vierwaldstättersees über die Reuss,
weiter über die Aare, schließlich über den Rhein auch an den reichen Fischgründen unseres Kölle
vorbeikommen. Ich spuckte einen nachdenklichen Gruß an meine Heimatstadt in die Reuss ...

Über Interlaken kommend, wählten wir unser Basiscamp im tiefen Tal der Weissen Lütschine. Das
Tal ist eher als Megaschlucht zu bezeichnen, am Fuße vieler Viertausender und soll angeblich
77 Wasserfälle haben; gezählt haben wir nur 51.
Bild
(Oberhalb der Wasserfälle sind noch Orte. Autofrei!)

Ursprünglich dachten wir die Weisse Lütschine sei ein kleiner Gebirgsbach. Wir waren überrascht, was
für ein beeindruckender, tobender Fluss sich uns zeigte, hört sich doch Lütschine irgendwie niedlich an.
Ein Kennerblick offenbarte uns aber auch die Unbefischbarkeit dieses Gewässers. Rasend schnell,
von Gletschersedimenten hellgrau eingematscht und absolut forellenfeindlich. Und ausserdem Hochge-
birge! Eh eine heikle Angelegenheit. Glücklicherweise wurden wir eines Besseren belehrt. Doch vor der
Kür steht die Pflicht und so gingen wir unseren zweiten Teil des Urlaubs autofrei an und kauften uns ein
Wochenabo zur Nutzung aller öffentlichen Fortbewegungsmittel der Region; Eisenbahnen, Busse und
Seilbahnen. Auch wenn man nur vor hätte zwei, drei Tage zu bleiben, rechnet sich das schon nach einer
ausgiebigen Tagestour. Auf Auto kann auch schon deshalb verzichtet werden, da alle Verbindungen gut
getacktet und die Umstiege mit schweizer Präzision abgestimmt sind. Ja, und man sieht viel mehr.
Neben dem exzessiven Tunnelbauen ist des Schweizers zweite Leidenschaft, jeden nur erdenklichen
Punkt des Landes mit der Eisenbahn erreichbar zu machen. Auf den Gebirgsfahrten kamen wir uns manchmal
vor, Teil einer Modelleisenbahnlandschaft zu sein, auf der versucht wurde, möglichst viel Schiene auf
kleinem Raum unterzubringen. Die schweizer Bahn scheint wohl auch der größte Arbeitgeber im Lande zu
sein.
Vor unseren neuen Erfahrungen in Sachen Hochgebirgsfischen, ab jetzt kurz HGF, stand aber erst mal
die Pflicht: ein Besuch des schweizer Disneyland. Gemeint ist damit eine Fahrt auf Europas höchste
Bahnstation, dem Jungfraujoch (3471 üM). Sieht man mal davon ab, dass sich tausende Touristen unter-
schiedlichster Nationalitäten (derzeit dominieren Inder und Chinesen) dort oben tummeln, ist das Bild grandios.
Bild
(Ein paar kleinere Viertausender liegen hier einfach so rum)

Für mich selbst waren diese Höhen ohnehin schon jenseits der Donnerkuppel. Zweizwei waren das Maximum.
Allerdings, auch wenn mich Mediziner und Alpinisten ständig korrigieren, für mich war der so genannte
'Top of Europe' auch meine persönliche Todeszone. Während holde Gattin und Hündi munter auch noch über
das Gletscherfeld zum Mönchsjoch hoch (!) wollten, suchte ich verzweifelt nach den Notgeräten zur Sauerstoff-
versorgung als ich begann hinterherzutrotten. Sitzen, Spazieren und Stehen geht ja, aber Wandern? No!
Während ich noch nach einem Exit suchte wurde ich (unwissentlich) auch noch von einem Scheich verhöhnt,
der sich mit seinen drei Frauen und sieben Kindern bei Null Grad eine wilde Schneeballschlacht lieferte.
Patsch, da rutschte er aus und kullerte einen kleinen Hang herunter. Geschah ihm Recht, dem scheichigen
Sandalenträger.
Wenn man, wie ich, in diese unglaubliche Gletscherwelt quasi hineingeboren wurde, also es nicht besser weiss,
wird einem der Verlust nicht bewusst: "wo einst ein großer Gletscher war, steht heute eine Schoki-Bar". Der
Rückgang der Alpengletscher ist dramatisch. Das wird einem besonders klar, wenn man eine Ansichtskarte, aufge-
legt im Jahre 2000, gegen das Original hält. Ja, es sieht schlimm aus.

Es stellte sich jedenfalls heraus, wie schon angedeutet, dass die Fischereimöglichkeiten im Nationalpark gar nicht
so schlecht sind, wie wir ursprünglich annahmen. Selbst die wilde Lütschine soll einen guten Bachforellenbestand
beherbergen. Desweitern gab es schöne Alpseen zwischen 2200 und 2400 üM die einen verlockenden Saibling-
und Regenbogenforellenbesatz vorzuweisen hatten und spannende Hochgebirgsbäche. Auch sind die Gewässer
unbelastet, da die anrainende Landwirtschaft sehr hohen Auflagen zur Umweltpflege unterworfen ist.
Sieht man mal von der meist wilden Lütschine ab, sind allerdings alle Gewässer erst durch mindestens eine Stunde
wandern erreichbar. Im Nachhinein: jede Minute wandern dorthin lohnt sich!
So freuten wir uns auch auf unseren ersten unerwarteten Angeltag an der kleinen Selfine, einem, im Wald versteckten
Gebirgsbach, der wild ins Tal rauscht, aber oft von terrassenartigen natürlichen Becken abgebremst wurde. Im Vor-
feld wunderten wir uns über das geringe Schonmaß der Bafo von 22 cm. "Das Futtr-oangebot ist nicht genügend",
erklärte uns ein Dorfschullehrer, der auch die Patente ausgibt und selber dort fischt, "und mit einer 25er habt ihr schon
einen kchrapitolen Fong!"
Bild
(Abkühlung vor dem Anstieg zur Selfine)

Auf dem Weg nach "Mittelerde" kam uns ein Paar entgegen und wir wurden vom männlichen Teil unvermittelt an-
gesprochen, ob wir Fliegenfischer seien. Es stellte sich heraus, dass auch er leidenschaftlicher Fliegenfischer ist
und gar nicht wusste, dass man im Nationalpark fischen kann. "Hätte ich das gewusst ...!"
Wir nahmen stillschweigend an, dass der weibliche Teil ganz froh darüber war, dass er es nicht wusste.
An unserem Einstiegspunkt für den Abwärtsgang an der Selfine entlang fanden wir auch wieder jene gut be-
schickten Grillplätze, ruhten uns erst mal aus bzw. machten unsere Ruten fertig.
Bild
(Good Ol Chinni and his dog)

Etwas anfischen in diesem Abschnitt zeigte uns direkt, wo der Hammer hängt. Es ist gar nicht so einfach, die Fliege
im Wasser an die potentiellen Stellen treiben zu lassen. Auch zuppelt die Schnur beim Abdrifft so stark, dass man ständigt
glaubt einen Anbiss zu haben. Unabhängig von der Erfolglosigkeit dort, ist das Fischen an einem solchen Ort eine
echte Ganzkörpererfahrung, die unbeschreiblich ist. Man möchte hier einfach nur sein.
Unser Luftschlösschen wurde leider durch herannahenden Donner zerstört. Wer ein drohendes Gebirgsgewitter kennt,
weiss wovon ich rede. Wir machten uns zwar flugs talabwärts auf, konnten aber der sintflutartigen Dusche nicht mehr
entkommen. Im Vorbeimarsch sahen wir immer besser werdende Stellen, die uns eine Nase zeigten. Naja, morgen
kommen wir wieder!
Bild
(Kleiner See zur Frischhaltung von Saiblingen für Restaurants. Im Winter Kunstschneelieferant)

Kamen wir nicht! Sonder verdaddelten unsere Zeit, wie kleine Kinder, die nicht wissen, welches der vielen, tollen
Eiskugeln man noch auf die Tüte packen kann. Das, für den Schluß (hier) aufgehobene, Sahnehäubchen Bachalpsee
mussten wir knicken, da entgegen den Verheissungen des Tourismusbüros (spezielles Prospekt) die angegebenen
Verkaufsstellen für Patente nicht zu finden waren. Bleibt noch zu erwähnen, dass wir auf allen Wanderungen eine
kleine Fliegenrute (38 cm Packmaß) nebst Minimalausrüstung mitführten. Man weiss ja nie, welcher freundliche
schweizer Bauer einen zum Fischen einlädt ;-)
Bild
(Der Bachalpsee mit seinen 4322 Saiblingen und Regnern.
Der internationale Verbund der Pressefotografen hat sich auf eine Selbstkontrolle eingeschworen,
manipulierte bzw. montierte Bilder mit einem M zu kennzeichnen. Ein Umstand der bei der Bild-Zeitung
noch nicht angekommen ist.
Frage an Ulli-"Adlerauge"-3D: Wie lang ist Chinook?)


Tja, so weit so gut. Den Rest der Reise findet ihr im Doubs-Teil. Wir können euch nur ermuntern das Anglerland
Schweiz auch mal zu besuchen. Wir jedenfalls haben uns noch einiges aufgehoben. So ist das Fliegenfischer-
paradies Tessin noch offen und noch einige Rechnungen an der Doubs, verbunden mit einem Besuch
beim freundlichen Herrn Dublin in St. Ursenne.

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Re: Von Albeli, Egli und Seehunden (Teil I-III)

Beitrag von Barta0815 » 14 Aug 2008 15:16

wieder aaabsulut überwältigend und sehr schön zu lesen! danke dafür conny :wink:
dann erwarte ich brennend den fortgang im doubs-teil :wink:

gruß vom niederrhein

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