Anfüttern zerstört Gewässer?!

Hier werden nicht nur Würmer gebadet...

Moderator: Thomas Kalweit

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Niederbayer

Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Niederbayer » 27 Jan 2009 09:37

Hallo Forumskollegen,

wir hatten das Thema schon einige Male angesprochen, aber es gibt dazu bestimmt noch viel Wissenswertes zu sagen/hören!

Bei mir in der Nähe z.B. gibt es jetzt einen Baggersee, an dem jegliches Anfüttern verboten ist!
Grund: Der Baggersee hat fast keinen Sauerstoff mehr, der Fischbestand hat schon nachgelassen und der See droht komplett zu sterben! Besonders die unterste Schicht (ca. 1m) hat gar keinen Sauerstoff mehr! :shock:
Untersuchungen haben ergeben, dass das Anfüttern mit "künstlichem Futter" Schuld hat!

Was passiert da unter Wasser genau? Einige sprechen von Gährung - von Algenbildung und anderen Prozessen!

Gibt es bei euch ähnliche Vorkommnisse?

@ Argulus
Du hast in Deinem Studium bestimmt einiges darüber gelernt (hoffe ich :lol: )?!

Beliebt
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Re: Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Beliebt » 27 Jan 2009 11:43

Ich denke das HAuptproblem bei einem Baggersee ist nicht das Futter selbst sondern die Gewässerstruktur.

Baggerseen haben in der Regel weder Zu- noch Ablauf und keinen/kaum Schutz vor Sonneneinstrahlung durch Bäume. Durch diese Besonderheit ist eine Nährstoffanreicherung des Gewässers nur eine logische Folge.

Entenfütterungen, Lockfutter für Fische und ähnliche Einträge an Biomasse beschleunigen den Prozess der Eutrophierung, sind aber nicht die Ursache. Ein biologisches Gleichgewicht ist nahezu ausgeschlossen und sämtliche Gegenmaßnahmen bieten nur eine temporäre Verbesserung.

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Thomas Kalweit
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Re: Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Thomas Kalweit » 27 Jan 2009 17:01

Besonders interessant hierzu ist folgender Vortrag für ein Gewässerwarteseminar in Hessen:

http://unio.igb-berlin.de/abt4/mitarbei ... nghaus.pdf

Mein Verein bewirtschaftet zwei ziemlich oligotrophe Baggerseen. Unser Fischbestand lebt sozusagen von der Anfütterei, ohne die Karpfenangler könnten unsere Gewässer nur die Hälfte des Fischbestandes überhaupt ernähren. Ich finde Anfüttern nur in zur Eutrophierung neigenden Gewässern problematisch, ansonsten erhöht es durchaus den Fischertrag.
Online-Redaktion FISCH & FANG / DER RAUBFISCH
E-Mail: thomas.kalweit@paulparey.de

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Re: Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Argulus » 27 Jan 2009 23:58

Beliebt hat geschrieben:Ich denke das HAuptproblem bei einem Baggersee ist nicht das Futter selbst sondern die Gewässerstruktur.

Baggerseen haben in der Regel weder Zu- noch Ablauf und keinen/kaum Schutz vor Sonneneinstrahlung durch Bäume. Durch diese Besonderheit ist eine Nährstoffanreicherung des Gewässers nur eine logische Folge.

Entenfütterungen, Lockfutter für Fische und ähnliche Einträge an Biomasse beschleunigen den Prozess der Eutrophierung, sind aber nicht die Ursache. Ein biologisches Gleichgewicht ist nahezu ausgeschlossen und sämtliche Gegenmaßnahmen bieten nur eine temporäre Verbesserung.
Das trifft es gut. Wenn die Tiefe zur Fläche ein ungünstiges Verhältnis hat, gibt es Schichtungen. Organische Prozesse zehren den O2 im Tiefenbereich auf ... es gammelt.

Futter beschleunigt das dann, denn dort schwimmt kein Fisch, um es zu fressen. Angler, die dort fischen gibt es leider einige :roll: ... und dann sagen Sie die Fische sind weg :lol:

Zu viele Fische die gründeln führen zur Rücklösung von Phosphor aus dem Sediment. Das Gewässer bekommt rückgeführte Nährstoffe :arrow: Algen wachsen :arrow: Algen sterben :arrow: wieder O2 Zehrung, ein hässlicher Kreislauf

Z.B. zu viele Karpfen, die ja gern gesetzt werden.

Im Normalfall geschieht durch Füttern nichts ausser evtl. eine Erhöhung der Stückmasse / Gesmatbiomasse. In kritischen Fällen kann Füttern ein zusätzlicher Umweltfaktor werden. Nur am Füttern liegt die schlechte Qualität eines Gewässers nie.

So weit im Schnelldurchlauf erklärt :wink:
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Re: Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Friese Hemmelsberg » 11 Feb 2009 02:35

Wenn´s so ausschaut, denke ich schon.


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Re: Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Argulus » 13 Feb 2009 21:33

Der Brandenburger Landesanglerverband betreibt eine kostenlose Mitgliederzeitschrift „Der Märkische Angler“, in jener wurde eine interessante Erhebung zur Nährstoffbilanz von Anfütterungsmaterial veröffentlicht.

Mitte 2003 wurde ein Beitrag von Prof. Dr. habil. Kurt Schreckenbach und Dr. Uwe Brämick (beide IFB Potsdam) abgedruckt, aus welchem unter anderem folgendes hervorgeht, ich zitiere hier:


„Der Nährstoffgehalt der verschiedenen Lock- und Köderstoffe liegt zwischen 1 bis 6 g/kg Phosphor und 13 bis 41 g/kg Stickstoff.
Eine Anfütterung mit 100 kg Brotteig entspricht z.B. dem Eintrag von 90 g Phosphor und 1.290 g Stickstoff.
Im Hinblick auf die Nährstoffbilanz des Gewässers ist es dabei zunächst unerheblich, ob die Futterstoffe durch Fische aufgenommen werden oder nicht“

„Um beispielsweise dem jährlichen Phosphoreintrag durch Niederschläge zu entsprechen, müssten etwa 500 bis 1000 kg Brotteig pro Hektar in ein Gewässer eingebracht werden.“



Des Weiteren wird zur Nährstoffbilanz Folgendes, Interessantes ausgeführt:


„So wird z.B. der Nährstoffeintrag in ein Gewässer durch Anfütterung mit 100 kg Brotteig durch den Fang von 10 kg Plötzen (Phosphor) bzw. 45 kg Plötzen (Stickstoff) kompensiert und die Nährstoffbilanz wäre ausgeglichen.“


Interessant, wer also, rein hypothetisch, ein Kilo Fisch entnimmt kann 2 Kilo füttern und entlastet das Gewässer in der Nährstoffbilanz sogar noch.

Es wird aber auch auf die Sauerstoffzehrung von Futtermitteln eingegangen:


„Futterstoffe werden vor allem dann für das Gewässer und seine Lebensgemeinschaften zur Belastung, wenn sie nicht innerhalb einer kürzeren Zeitspanne von den Fischen aufgenommen werden können.“

„So würde die Anfütterung mit 100 kg Brotteig ohne unmittelbare Aufnahme durch die Fische einen Verbrauch von 74 kg Sauerstoff verursachen.“



Ich resümiere daraus … wer vernünftig anfüttert und auch mal ein-zwei Fische in die Bratpfanne legt, der zerstört sein Gewässer nicht.
In Anbetracht der Entnahme durch gewisse schwarze Vögel, die gleich Zentnerweise „Nährstoffe austragen“, können wir denke ich auch füttern wenn wir releasen, beim Carphunting z.B.

Alles mit dem richtigen Augenmaß … und schon passt ES. Dazu wieder aus dem Beitrag zitiert:


„Übersteigt die Summe der Nährstoffeinträge 0,2 bis 0,5 g Phosphor / m2 und 5 bis 10 g Stickstoff / m2 entwickeln sich nährstoffarme Seen kurz- bis mittelfristig zu nährstoffreichen Gewässern. Nährstoffeinträge durch eine sachgemäße Anfütterung beim Angeln allein reichen dafür bei weitem nicht aus.“

Na bitte, sind Angler doch keine Umweltschweine … wenn sie denn verantwortungsbewusst handeln. :wink:
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Niederbayer

Re: Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Niederbayer » 14 Feb 2009 08:39

@ Argulus

Wieder einmal einen herzlichen Dank für Deine schöne Darstellung der Problematik!
Ich hoffe wir lesen zukünftig noch viele solcher informativen Beiträge!
RESPEKT

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Re: Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Argulus » 14 Feb 2009 20:11

Niederbayer hat geschrieben:@ Argulus

Wieder einmal einen herzlichen Dank für Deine schöne Darstellung der Problematik!
Ich hoffe wir lesen zukünftig noch viele solcher informativen Beiträge!
RESPEKT
@Niederbayer, der Respekt gebührt den Wissenschaftlern aus dem Institut für Binnenfischerei in Potsdam :D
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Niederbayer

Re: Anfüttern zerstört Gewässer?!

Beitrag von Niederbayer » 14 Feb 2009 21:34

Aber man muss erst die Zeit aufgebracht haben es zu lesen und später muss man dann noch die Bereitschaft zeigen, die gesammelten Infos mit Interessierten zu teilen!

Bei solchen Texten geht es meiner Meinung auch oft darum sie richtig zu lesen und zu interpretieren!

Ich schätze die Informationen, die Du uns weiter gibst, an sich einfach sehr!

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