eine Kleinlichkeit

Literarisches & Kulinarisches von Anglern für Angler

Moderator: Thomas Kalweit

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Hartmut
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eine Kleinlichkeit

Beitrag von Hartmut » 30 Jun 2006 18:57

SCHLANGE

Eine Schlange kam zu meinem Wassertrog
an einem heißen, heißen Tag, und auch ich, der Hitze wegen
im Pyjama,
um aus ihm zu trinken.

Im tiefen, seltsamduftenden Schatten des großen dunklen
Johannisbrotbaums
kam ich mit meinem Krug die Stufen herab
um mußte innehalten, mußte stehenbleiben, warten, denn da war sie,
vor mir, am Trog.

Aus einem Spalt im Erdwall schleppte sie sich lang im Dämmerlicht
und schleifte ihre gelbbraune Schlaffheit weichbäuchicht hernieder
über die Kante des Wassertrogs
und ließ die Kehle ruhen auf dem steinernen Grund;
und wo das Wasser aus dem Hahn getröpfelt war, in einer
kleinen Reinheit,
nippte sie mit ihrem geraden Mund,
trank sacht durch ihre geraden Mundschleimhäute hinein in ihren
schlaffen langen Leib,
lautlos.

Jemand war vor mir da, an meinem Wassertrog,
und ich, wie ein Nachzügler wartete.

Sie hielt im Trinken innne, hob den Kopf wie eine Kuh
und sah mich vage an, wie Kühe, wenn sie trinken,
und züngelte die zweispitzichte Zunge durch die Lippen und sann
einen Augenblick,
und krümmte sich und trank ein wenig mehr,
war erdbraun, erdgoldfarben vom brennenden Eingeweid der Erde
am Tag des sizilianischen Juli, da der Ätna qualmte.

Meiner Erziehung Stimme redete mir ein:
Die muß getötet werden,
denn in Sizilien sind die schwarzen, schwarzen Schlangen unschuldig,
die goldenen giftig.

Und in mir sprach's: Wärst du ein Mann,
du würdest einen Stock nehmen und sie jetzt zerschmettern,
ihr den Garaus machen.

Doch muß ich gestehen, wie sie mir gefiel,
wie froh ich war, daß sie wie ein Gast im stillen gekommen,
um aus meinem Wassertrog zu trinken
und friedlich zu scheiden, versöhnt, ohne Dank auch,
ins brennende Eingeweid dieser Erde zurück?

War's Feigheit, daß ich nicht wagte, sie zu töten?
War es Perversität, daß mich verlangte, zu ihr zu reden?
War es Erniedrigung, sich so geehrt zu fühlen?
Ich fühlte mich so geehrt.

Und gleichwohl diese Stimmen:
Hättest Du keine Angst, würdst du sie töten!

Und in der Tat hatte ich Angst, eine Heidenangst hatte ich,
doch eben drum war's mir eine um so größere Ehre,
daß sie meine Gastfreundschaft suchte
aus der dunklen Tür der geheimen Erde heraus.

Sie trank aus
und hob den Kopf, verträumt wie einer, der getrunken hat,
und züngelte mit der Zunge gleich einer gegabelten Nacht in der Luft,
so schwarz;
schien sich die Lippen zu lecken
und blickte umher wie ein blinder Gott in die Luft
und wandte mählich das Haupt,
und langsam, ganz langsam, wie im Traume dreifach,
hub sie an, ihre langsame Länge im Bogenschwung zu krümmen
und den bröckligen Abhang meiner Mauer wieder emporzukriechen.


Und als sie den Kopf in jenes schreckliche Loch steckte
und als sie sich langsam emporzog, die Schultern schlängelnd sich
lockernd, und tiefer eindrang,
überkam mich eine Art Grauen, eine Art Protest gegen ihren
Rückzug in jenes scheußliche schwarze Loch,
dagegen, daß sie freiwillig in die Schwärze kroch und mählich
sich selbst nachzog,
nun, da sie mir den Rücken gekehrt hatte.

Ich sah mich um, ich stellte den Krug nieder,
ich hob ein grobes Stück Holz auf
und warf's mit Gepolter nach dem Wassertrog.

Ich glaube, es traf sie nicht,
doch plötzlich wand sich krampfhaft der Teil von ihr, der noch
aus dem Spalt ragte, in unwürdiger Hast,
krümmte sich wie der Blitz und war verschwunden
in dem schwarzen Loch, der erdlippigen Ritze im Wall,
auf die ich, am intensiv stillen Mittag, gebannt starrte.

Und augenblicklich bereute ich es,
Ich dachte: wie erbärmlich, wie vulgär, wie gemein diese Tat!
Ich verachtete mich und die Stimmen meiner fluchbeladenen
humanistischen Erziehung.

Und ich dachte an den Albatros
und wünschte, sie würde wiederkommen, meine Schlange.

Denn erneut kam sie mir wie ein König vor,
wie ein König im Exil, ungekrönt in der Unterwelt,
dem nunmehr zusteht, wieder gekrönt zu werden.

Und so verpaßte ich meine Chance bei einem der Herren
des Lebens.
Und habe etwas zu sühnen:
eine Kleinlichkeit.

D.H.L

Streamer

eine Kleinlichkeit

Beitrag von Streamer » 01 Jul 2006 03:39

Thank you very much, Hartmut, for D.H.L

I have noticed in my life that all men have a liking for some special animal, tree, plant, or spot of earth.
If men would pay attention to these preferences and seek what is best to do in order to make themselves worthy of that toward which they are so attracted, they might have dreams which would purify their lives.
Let a man decide upon his favourite animal and make a study of it, learning its innocent ways. Let him learn to understand its sounds and motions. The animals want to communicate with man, but Wakantanka does not intend they shall do so directly -
man must do the greater part in securing an understanding.

Brave Buffalo
Teton Sioux medicine man
Late 19th century


* Wakantanka= The great spirit and creator

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Hartmut
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eine Kleinlichkeit

Beitrag von Hartmut » 02 Jul 2006 16:20

<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat
Let a man decide upon his favourite animal and make a study of it, learning its innocent ways
Wer mag..

MOSKITO (...seinen Freund nennen?)

Wann begannen Sie mit Ihren Tricks,
Monsier?

Wozu stehen Sie auf so hohen Beinen?
Warum diese Länge des eingekerbten Schenkels,
du Exaltation?

Ist es, damit du deinen Schwerpunkt anhebst
und nicht mehr wiegst als Luft, wenn du dich auf mich niederläßt,
auf mir stehst ohne Gewicht, du Phantom?

Ich höre, wie eine Frau dich Geflügelte Viktoria nannte
im trägen Venedig.
Du wendest den Kopf deinem Schwanz zu und lächelst.

Wie kannst Du so viel Teufelei
in diesen durchscheinenden Phantomschnitz
eines zerbrechlichen Corpus legen?

Kurios: wie du mit deinen dünnen Flügeln und strömenden Beinen
wie ein Reiher segelst oder ein trübes Luftfitzelchen,
ein Nichts.

Doch welch eine Aura umgibt dich:
deine böse kleine Aura, räuberisch stöbernd und mir die Sinne
mit Taubheit schlagend.

Das ist dein Trick, dein bißchen schmutziger Zauber:
Unsichtbarkeit und die anästhesierende Macht,
meine Aufmerksamkeit in deine Richtung abzustumpfen.

Doch ich kenne deine Schliche jetzt, reizbarer Hexer.

Kurios, wie du stakst und die Luft durchstreifst
in Kreisen und Ausflüchten, mich umgarnender
Ghul auf Flügeln,
Geflügelter Sieg.

Dich niederläßt und auf langen dünnen Schenkeln stehst,
mich seitwärts beäugend, und schlau bewußt, daß ich davon nichts weiß,
du Fleck.

Ich hasse die Art, wie du plötzlich zur Seite ausweichst in die Luft,
nachdem du meine Gedanken wider dich gelesen hast.

Also gut, laß uns „ahnungslos“ spielen
und sehen, wer in diesem schlauen Bluff-Spiel gewinnt,
Mensch oder Moskito.

Du weißt nicht, daß ich existiere, und ich weiß nicht, daß du existierst.
Also los!

Es ist dein Trumpf,
es ist dein häßlicher kleiner Trumpf
du spitzichter Feind,
der mein hitziges Blut zu Haß auf dich schürt:
es ist dein kleines, schrilles, abscheuliches Jagdhorn in meinem Ohr.

Warum machst du das?
Bestimmt ist das schlechte Politik.

Es heißt, du könnest nicht anders.

Ist das so, dann glaube ich ein wenig an Vorsehung, die den
Unschuldigen schützt.
Aber es klingt so erstaunlich nach Kampfruf,
nach gellendem Triumph, wenn du dir meinen Skalp schnappst.

Blut, rotes Blut
hypermagische
verbotene Flüssigkeit.

Ich schaue zu: wie du,
für eine Sekunde, in Selbstvergessenheit eingekrampft stehst
in obszöner Ekstase,
da du lebendes Blut saugst,
mein Blut.

Solches Schweigen, solch suspendiertes Empfinden,
solche Gier,
solche Obszönität der Distanzlosigkeit.

Du taumelst
ganz nach Belieben.
Nur deine verfluchte behaarte Zerbrechlichkeit,
deine eigenen unwägbare Gewichtslosigkeit
rettet dich, weht dich davon beim schieren Luftzug, den mein
Zorn beim Zuschlagen macht.

Fort mit dem Päan des Spottes,
du geflügelter Blutstropfen!

Kann ich dich nicht überholen?
Bist du mir über,
geflügelter Sieg?
Bich ich nicht Stechmück genug, dich auszustechen?

Kurios: der große Fleck, den mein gesaugtes Blut macht
neben dem infinitesimal kleinen Klecks deiner selbst!
Kurios, in welch trübdunklem Schmier du verschwunden bist!

D.H.L

@Streamer, zögerst Du,.... beim Zuschlagen? [img]images/smiles/icon_biggrin.gif[/img]

Streamer

eine Kleinlichkeit

Beitrag von Streamer » 02 Jul 2006 23:12

Quote:
_________________________________________
Streamer, zoegerst Du,--- beim Zuschlagen?
_________________________________________

It depends, wenn ich 30 jahren alten
Canadian rye getrunken hab sie fliegen alleine in den tot. [img]images/smiles/icon_rolleyes.gif[/img]

Again, thanks for D.H.L., I simply love it.
Take care

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