Besinnliches zum Fliegenfischen

Literarisches & Kulinarisches von Anglern für Angler

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Werner B.
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Besinnliches zum Fliegenfischen

Beitrag von Werner B. » 13 Dez 2005 20:00

Mein „Gesamtkunstwerk“ Fliegenfischen ist :

Sich in den Wurf und die Biegung der Rute hineinfühlen und die Bahn der Leine mit den Augen verfolgen, sich auf die Harmonie des Wurfes konzentrieren und sie wahrnehmen, Fliege, Nymphe oder Streamer genau dort ablegen, wo sie hin sollen und im Augenblick des Ablegens wissen, dass sie dort und nirgendwo anders auf eben diese Weise das Wasser berühren müssen, wie sie es tun, und wissen und fühlen, dass alles richtig ist.

Die Welt aus den Augen und aus dem Sinn verlieren, nur noch die Fliege existiert und füllt in der Erwartung des Bisses mein Bewusstsein aus, bis ich sie mit einem sanften Pickup vom Wasser löse und das gleiche Geschehen in der Harmonie einer vollkommenen Bewegung sich wiederholt, so lange, bis ich die Fluchten eines Fisches am Ende des Vorfaches spüre und Befriedigung empfinde, während ich ihn zu mir heranhole.

Hand über Hand ziehe ich ihn zu mir, je nach Widerstand und Größe sanft und vorsichtig oder fordernd und bestimmt. Ich entlasse ihn vom Haken oder töte ihn schnell und ohne Umstände.

Während ich den Platz wechsele, nehme ich das Geräusch des Wassers bewusster wahr, höre die Amsel im Ufergebüsch singen, sehe auf dem Wasser und in der Luft filigrane Eintagsfliegen, die in den Lichtbahnen, die die Sonne durch die Äste der Erlen strahlt, ihrer Hochzeit und ihrem Tod entgegen tanzen.

In den Pausen, in denen ich am Wasser sitze, versinkt die Welt um mich und meine ganze Aufmerksamkeit gehört dem Wasser und dem, was sich auf seiner und unter seiner Oberfläche tut. Und mir wird bewusst, dass es ein großes Glück ist, an diesem Tag, auf diese Weise, an diesem Ort mit der Fliege fischen zu dürfen.

Und wenn ich mich den ganzen Tag auf das Fliegenfischen konzentriere, störende Hektik und den Drang, mehr Beute zu machen, wahrnehme und nicht zulasse, dann habe ich am Abend manchmal die Gewissheit, dass mir heute das Gesamtkunstwerk Fliegenfischen gelungen ist, weil für mich nur beim Fliegenfischen die ihm innewohnende fast meditative Bewegungsharmonie das Bewusstsein für all das Schöne zu öffnen vermag, was wir als Fischer noch viel zu oft nicht wahrnehmen.
Gruß Werner
Die Lage ist ziemlich unkomfortabel

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Hartmut
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Besinnliches zum Fliegenfischen

Beitrag von Hartmut » 13 Dez 2005 23:14

Als mir Chinook ein paar Zeilen über die Rückkehr der Lachse schrieb, stellte ich mir vor, was die wenigen Rückkehrer in ihrem kurzen Leben alles durchmachen mussten, bis sie im flachen Wasser das Herz eines jeden Fischers höher schlagen lassen, wenn er die Chance hat, einen Lachs in natürlicher Umgebung zu beobachten.
Vermutlich sind nur wenige Lachse auf natürliche Art und Weise im sauberen Kiesgrund ihres elterlichen Baches aus dem Ei geschlüpft, sondern mit unbeholfenen Bewegungen in einer Brutanstalt samt Dottersack ins freie Wasser eines Zuchtbeckens geschwebt und dort ein Jahr oder länger gegen die künstliche Strömung angeschwommen, die ein natürliches Fließgewässer simulieren soll. Obwohl diese monotonen Becken auch bei Jungfischen zu einem gewissen Stumpfsinn führen, ist der wertvolle Nachwuchs darin vor Fressfeinden und Krankheiten geschützt, denn ohne Medikamente können die Jungtiere dicht gedrängt in einer Monokultur nicht überleben. Die gefiederten Fischjäger hält eine Netzabdeckung sicher auf der nötigen Distanz, so dass die Brut höchsten hin und wieder durch einen unangenehmen Flugschatten verschreckt in eine dunkle Ecke des Zuchtbeckens flüchtet.

Unser „Lachstraum“ beginnt mit dem hoffnungsvollen Besatz dieser Jungfische in ihr zukünftiges „Heimatgewässer“, ob die Jungfische gerne aus der sicheren Brutanstalt mit regelmäßiger Fütterung und optimaler Betreuung in den wilden, vor Gefahren lauernden Bach in ihre neue Freiheit entschlüpfen ist noch nicht gesichert.

Ich stelle mir vor, dass die Fischbrut eine unbeschwerte Jugendzeit in ihrem neuen Heimatgewässer verbringt, denn die Fischjäger aus der Luft und im Wasser erbeuten eher die schwachen und unvorsichtigen Exemplare und selektieren schon früh den zukünftigen Lachsbestand. Zur Freude mancher Fischer zeigt sich ein neugieriger Lachs an der Angel und bestätigt den Hegern ihre gute Kondition.

Von einer inneren Unruhe getrieben schwimmen die Junglachse in der Größe einer Portionsforelle flussabwärts Richtung Meer. Auf dieser Reise lauern unnatürliche Hindernisse durch den Verbau unserer Flüsse. Der gute grüne Strom aus der Steckdose bekommt eine rot Färbung vom Blut der Junglachse, die unbedarft ihrem Instinkt folgen und mit der größten Strömung in ihr Verderben schwimmen. Bis zur Mündung des Flusses ins Meer sind auf diese Weise bereits viele Junglachse stumm und unbemerkt, in Stücke zerhäckselt, ein willkommenes Fressen für Möwen, Raubfische, Krebse und Bakterien. Dieses Los teilen viele Wanderfische auf ihren alten Wanderwegen. Dem aufmerksamen Beobachter entgehen die Fischstücke am Auslauf der Turbinen nicht und er erkennt auch an den ausgefranzten Stücken noch die Jugendflecken des Lachses oder armdicke Stücke eines kapitalen Aales oder einer alten Barbe. Brachsen und Karpfen werden noch übler zerfleddert.

Wie mag es den an sauberes Wasser gewohnten Fischen ergehen, wenn beim Atmen Gift und Schmutz ihre Kiemen passiert, durch ihren Körper dringt, die Sinne vernebelt und auch noch den lebensnotwendigen Sauerstoff zehrt.

Endlich erreichen einige glückliche doch noch die Flussmündungen und nehmen bei der Anpassung an das ungewohnte Salzwasser noch eine ordentliche Portion Schwermetalle über ihre Nahrung auf, bevor sie endlich in die großen Weiten der Nordsee entschwinden.

Ihre Reise führt sie bis nach Grönland in nahrungsreiche Gewässer, die ihnen eine Gewichtszunahme bis ca. 4 Kg pro Jahr ermöglicht. Schon nach einem Jahr werden die ersten Fische von Heimweh geplagt und finden auf eine rätselhafte Weise das richtige Fahrwasser, bis in ihr ehemaliges Kinderzimmer.
Ihr beschwerlicher Weg dorthin wird nicht nur durch die Stauwehre und Schmutzfrachten erschwert, zusätzlich versperren Stellnetze ihren Rückweg zu ihren Laichgründen.

Wieviel menschliche Zivilisation erlebt ein Lachs auf seiner Reise, vorbei an Beton, Stahl und – Klopapier, brackigem, fauligem Stauwasser hinter den Wehren, störenden Schiffen und besonders schmutzigem Hochwasser?

Hat es ein Lachs endlich bis ans Ziel geschafft, kann er nur hoffen, dass es auch eine Partnerin gibt, die ebenso erfolgreich war, sonst war die Mühe des Aufstiegs vergebens.

Oft denke ich an Erzählungen von Salmen in Neckar, Enz und Nagold, die von meinen älteren Fischerkameraden noch erlebt wurden.

Was für ein Hochgefühl, wenn die geschmeidige Fliegenschnur plötzlich durch einen kampfstarken Rückkehrer gestrafft würde und das Vorfach seinen härtesten Test bestehen muss. Vergessen wären die unzähligen Mühen und Fehlwürfe, endlose Stunden am Wasser, bis jener Sachverstand gereift ist, wie man einen Fisch an die Fliege bekommt.

Ein schöner Traum, einer unserer schönsten Fische steigt wieder bis in mein Hausgewässer auf...........................


Hartmut

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