Lebensqualität/Fließ- u. Stillwasserfische

Was geschieht gerade wo, wie und warum?

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Harry1
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Lebensqualität/Fließ- u. Stillwasserfische

Beitrag von Harry1 » 29 Sep 2004 21:00

Ich habe mir erlaubt ein paar Gedanken die ich mit meinen 25 Anglerjahren über das Fischbild in den von mir beangelten Gewässern gemacht habe, einmal schriftlich zu äußern und eure Meinung dazu zu erfragen.

Im Fließwasser hat der Fisch viel Bewegung welche die Wasserströmung und der sich oft verändernde Wasserstand mit sich bringt.

Die Nahrungsaufnahme der Fische ist schwieriger wie für Stillwasserfische und daher auch mit mehr Bewegung verbunden.

Das Raubfischbild insbesondere im Rhein hat sich die letzten Jahre verändert.

Der Bestand von Barbe und Rapfen hat zugenommen, der Zanderbestand hat abgenommen.

Der Bestand der Friedfische hingegen hat sich nicht so sehr verändert, es scheint der Lebensraum ist noch weitgehend intakt.

Besonders hervorzuheben ist, die Fische vermehren sich noch relativ gut und die Arten sind von ganz klein bis groß immer noch vorhanden.

Der Räuber hat Nahrung und der Friedfisch auch.

Der Fisch in seinem Lebensraum ist als Gesund zu bezeichnen, einziges Manko ist die hohe Entnahme der Fische.

Andere Dinge wie das Lachsprogramm lassen mich hier an eine positive Zukunft der Fische Glauben.


Jetzt zu den Stillgewässern.

In fast allen kleinen bis mittelgroßen Stillgewässern (1-10 ha) haben sich die Lebensbedingungen in den letzten 25 Jahren extrem verschlechtert.

Dieser Prozess hat sich über all die Jahre langsam verschärft bis eben in die heutige Zeit.

Damit spreche ich den schrumpfenden Bestand und die Fortpflanzung der Friedfische an und dem damit verbundenen Nahrungsnotstand der Raubfische.

Was ist mit den Friedfischen bloß los?

Meiner Meinung nach haben wir ein großes Problem mit dem Anfüttern der Fische.

Ich mache es ja selbst um im Moment des Ansitzes erfolgreich zu fischen.

Ein nicht genau einzuschätzender Teil des Futters bleibt dabei auf dem Gewässerboden liegen und vergammelt.

Was sind die Nebenwirkungen auf die Gewässer und den Fischbestand?
Der Fisch im Stillwasser hat gegenüber den Artgenossen im Fließwasser einen viel kleineren Bewegungsradius.

Zur Nahrungsaufnahme muss der Friedfisch sich kaum noch bewegen und natürliche Nahrung ist nicht mehr so vielfältig vorhanden wie früher.

Der Fisch ist bei der künstlichen Nahrungsaufnahme vorsichtig geworden und frisst überwiegen nachts.

Bei jungen Menschen zum Beispiel sagt man zur Ernährung, wenn er über Jahre keine Vitamine zu sich nimmt, wird der Mensch krankheitsanfällig.

Wie ist das bei Fischen?

Ich kenne da zum Beispiel eine Trinkwassertalsperre in meiner Heimatnähe, da ist das Wasser für Fische ein Traum bis auf die Kormorane.

Es wimmelt da von Friedfischen und Räubern, obwohl der Kormoran dort zu mehreren hundert überwintert.

Dort ist das Gewässer super intakt, keine durch Fäulnis im Wasser wachsende Algen, welche für Kleinsttiere schädlich sind und der Fisch sich auf der Suche nach seiner Nahrung viel bewegen muss.

Von solch einer Reproduktion der Fische kann ein Vereinsangler in seinen Gewässern leider nur träumen.


Mit zu der Verschlechterung des Fischbestandes im Stillwasser zählen natürlich auch hier die hohe Entnahme von Fischen sowie der Kormoran.

Aber zu wie viel Prozent wohl?

Das ist so ein Gesamtbild was ich mir so Gedanklich im Blick auf die Jahre gebastelt habe, nicht schlimm wenn Ihr es ein wenig gerade rückt. [img]images/smiles/icon_smile.gif[/img]
mfG. Harry1

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Karsten
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Beitrag von Karsten » 30 Sep 2004 02:00

Hallo!
An den von mir beangelten Gewässern, kann ich diese Tendenz, (noch) nicht feststellen. Bei uns sind die Gewässer zum Teil auch größer. Komorane, ja, jedoch nicht übermäßig. Guter bis sehr guter Hechtbestand (--> zum Teil keine Schonzeit), Zander wegen klaren Wassers teilweise rückläufig. Weißfischbestand wegen geringer Entnahme sehr gut.
So sieht es nach meiner Einschätzung bei uns aus.
Gruß Karsten
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Beitrag von Thomas Kalweit » 30 Sep 2004 10:42

Hallo Harry1,
die Abnahme der Weißfischbestände hat auch viel mit der Verbesserung der Wasserqualität unserer Flüsse zu tun. Als vor Jahren noch die dritte Klärstufe in den meisten Kläranlagen fehlte, waren unsere Flüsse viel nahrungsreicher. Anpassungsfähige Weißfische wie Brassen, Rotaugen konnten sich in Massen entwickeln und Tubifex und Zuckmückenlarven aus dem Faulschlamm klauben. Heute sind unsere Flüsse sauberer (sprich: nahrungsärmer), deshalb entwickeln sich in den letzten Jahren anspruchsvollere Arten (Barbe + Hecht) anstatt (Brassen + Zander), diese aber in geringerer Anzahl, weil das Nahrungsangebot nicht mehr so üppig ist.

In kleinen Stillgewässern sind die Probleme oft hausgemacht:
- starker jährlicher Besatz schleppt Krankheiten ein und verhindert, dass sich ein auf das Gewässer angepasster Fischbestand entwickeln kann.
- Bewirtschaftungsmaßnahmen der Vereine ("Unser See soll schöner werden" [img]images/smiles/icon_wink.gif[/img] ) verhindern, dass sich naturbelassene Laich- und Rückzugsgebiete entwickeln können. So werden ins Wasser gefallenen Bäume durch Angler oft entfernt, Uferabbrüche befestigt, keine Flachwasserzonen angelegt, Schilf gerupft...
- hinzu kommt dann noch die Zunahme der Kormorane
- die durchweg oft bessere Wasserqualität mit weniger Plankton zum Schlupfzeitpunkt der Brut
- hinzu kommen dann noch Angler, die Weißfische in großen Mengen entnehmen, was vor 10-15 Jahren noch nicht in dem Maße der Fall war.
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Beitrag von Carpcatcher » 30 Sep 2004 11:05

Moin,

sehe das ein wenig anders. Das Hauptproblem in den stehenden Gewässern ist die Gier der Angler.

Seit Jahren erlebe ich immer wieder das gleiche. Es werden Hechterl besetzt, die gerade das Maß haben - im Frühjahr in der Schonzeit kann man diese auch immer wieder beobachten. Am ersten Tag der Saison geht´s dann los - Heerscharen von "Spezialisten" ziehen ihre Runden um die meist leicht zu beangelnden Gewässer und fangen innerhalb der ersten Wochen 90% wieder heraus - an jeder Ecke hört man dann tagelang das typische *tock...pock...pock*.

5% der Satzfische sterben nach dem Besatz - also verbleiben dann 5% die die sehr theoretische Chance haben, zu wachsen...

Die großen Hechte sind allermeistens sowieso schon entnommen, gerade in den letzten Jahren hat sich die Angelei auf dem Gerätesektor doch stark verbessert. Wenn ich mich allein an meine ersten Stahlvorfächer erinnere...

Irgendwie ist fast überall "der letzte schlaue Standhecht" schon zum Fotofinish in Muttis Küche gebeten worden, so dass ein natürlich regulierender Raubfischbestand kaum noch vorkommt.

Anfutter wird immer ein geringer Teil der natürlichen Nahrung der Fische sein - ich denke mal, eine Muschel oder eine Maulvoll Zuckies wird jedem Karpfen lieber sein, als ein Boilie..

Darum sind die Seefische auch immer unterwegs zu ihren natürlichen Futterplätzen.

Selbstverständlich sollte gerade in kleineren Gewässern das Anfüttern nicht übertrieben werden - gerade das Stippfutter ist hier nicht ungefährlich.

Bei den Karpfen habe ich die Erfahrung gemacht, dass sehr viele kleinere Vereinssen zu reinen Fleischtümpeln verkommen sind. Hier werden im Frühjahr die obligaten 5 Zentner Satzies besetzt, die dann in den nächsten 2 Monaten niedergemetzelt werden - dazu dann noch 2 Zentner Forellen, damit auch jeder Opa etwas fängt und wenigstens nach dem Neubesatz einmal das Wasser sieht...

Mitte des Jahres hört man dann immer wieder allüberall "geht nix, nix mehr drin"... - und mit ein wenig Pech lässt sich der Vorstand nochmal erweichen, Besatz im Herbst einzubringen.

Dieses Beispiel habe ich selbst erlebt - der See beherbergt jetzt Unmengen von Satzies zwischen 2 und 6 Pfund(die merkwürdigerweise das fressen von Mais und gängigen Ködern total eingestellt haben). Die letzten großen Exemplare in diesem See nehmen durch den Stress mit den Kleinen allerdings kontinuierlich ab...

Gruß
Jürgen
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Beitrag von Thomas Kalweit » 30 Sep 2004 12:41

Hallo Jürgen,
vor allem der häufig praktizierte Regenbogenforellenbesatz im Frühjahr/Frühsommer ist für viele Gewässer tödlich. Ich habe es schon öfters beobachtet, dass die Regenbogner bevor sie rausgefangen werden, die ganze frisch geschlüpfte Brut dezimiert haben. Besser kann man seinem Fischbestand nicht schaden [img]images/smiles/icon_wink.gif[/img] !

Überhaupt macht die Put & Take-Mentalität viele Gewässer kaputt. Der Intensivbesatz verhindert, dass sich ein gesunder Fischbestand entwickeln kann.
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Beitrag von Carpcatcher » 30 Sep 2004 13:01

Hi Thomas,

100%ige Zustimmung.... Hatte auch einmal erlebt, dass der Forellenbasatz die Karpfen dermaßen gestresst hatte, dass einige der älteren (und natürlich größeren) Exemplare deswegen eingegangen sind.

Lustigerweise waren offiziell dann die Karpfenangler schuld, weil den Fischen der Magen!! durch ungequolllenen Mais geplatzt war...
Viele Grüße
Jürgen
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Beitrag von Just » 30 Sep 2004 13:51

Es ist doch in den allermeisten Fällen so, dass sich die Gewässerpacht aus den Mitgliedsbeiträgen des Vereins finanziert.
Die allermeisten der Vereinsmitglieder kommen nicht allzuoft ans Wasser - und wenn, dann wollen sie natürlich etwas fangen. Wenn also nicht genug Fische drin sind, bzw. das Gewässer zu anspruchsvoll ist, dann treten die Leute aus, wechseln zum Nachbarverein, der vielleicht die Gewässer besser "spickt" - und damit gerät dann u.U. die Pachtzahlung für die Gewässer in Gefahr, evtl. gehen Gewässer oder Gewässerabschnitte verloren.
Ich wäre beispielsweise finanziell nicht in der Lage, mir privat einen Abschnitt unseres Fliesswassers zu pachten.
Dieses Fliesswasser ist anspruchsvoll, schickt dich oft wochenlang ohne Fisch nach Hause und wird von den allermeisten Vereinsmitgliedern deshalb nicht genutzt - sollen sie doch an die Teiche gehen und sich ihre Karpfen "rauspitschen".
Ein Umdenken in Richtung ökologische Gewässerbewirtschaftung kann man nicht von Heute auf Morgen vermitteln und bei manchem kommt diese Denkweise nie an - es ist halt so.
Mich wird man an der Teichen nicht finden, ich gehe lieber wochenlang schonmal ohne Fisch nach Hause, aber wie gesagt, privat könnte ich mir diesen fischlosen Luxus nicht leisten ...

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Beitrag von Thomas Kalweit » 30 Sep 2004 16:17

Da ist viel wahres dran, Just. In meinem Verein liegt die Lage ähnlich: Wer nicht jährlich mit einfach fangbaren Fischen besetzt, dem laufen die Mitglieder weg - der Verein kann irgendwann die Pacht nicht mehr aufbringen. Ein Teufelskreis...
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Beitrag von Carpcatcher » 30 Sep 2004 18:31

Hi,
ich bin mal echt gespannt, ob sich da mit dem Generationswechsel etwas tut.
Gruß
Jürgen
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Beitrag von Harry1 » 30 Sep 2004 18:41

Hallo und erst einmal danke für die Antworten.

Ich sehe das Problem in kleinern Stillgewässern allerdings etwas anders.
Zu den Regenbogenforellen und dem vernichten des Brutfisches fällt mir folgendes ein, in der oben beschriebenen Talsperre gibt es auch sehr viele Regenbogenforellen neben anderen Räubern und trotzdem hundert Mal mehr Weißfisch.
Klar ist das Problem mit dem sofortigen Fang des Satzfisches vorhanden, aber es sind meist die kleinen Edelfische.
Die Spezialisierung der Angler und dem besseren Fang des Zielfisches ist doch auch meist auf den Edelfisch ausgerichtet.
Ich meine irgendwie ist der Zustand der 1-10ha. großen Stillgewässer im Laufe der Jahre schlechter geworden.
Im Rhein klappt es doch zum Beispiel mit der Reproduktion von Fischen, wieso nicht mehr in den Stillgewässern.
Im Rhein finde ich es sogar noch schwieriger für die Fische, durch die sich stark verändernden Pegelstände.
Angeldruck und Kormoran finde ich als Begründung nicht ausreichend. [img]images/smiles/icon_confused.gif[/img]
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