Offener Brief an den Anglerverband Thüringen

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Thomas Kalweit
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Offener Brief an den Anglerverband Thüringen

Beitrag von Thomas Kalweit » 24 Feb 2014 15:35

Dieser offene Brief wurde von Markus Marschewski an die Redaktion geschickt. Wie ist Eure Meinung zum Thema?
Offener Brief:
Markus Marschewski
07407 Catharinau Catharinau, 12.02.2014


Landesanglerverband Thüringen e. V.
- An den Präsidenten -

Sehr geehrter Herr Dietrich Roese.

Nichts ist so stetig wie der Wandel !!!

An diesem Satz kommt man im heutigen Gesellschafts- und Gemeinschaftsleben nicht mehr vorbei. In allen Bereichen unseres Lebens begleitet er uns. Nicht nur auf Arbeit oder im Konsumverhalten. Im Arbeitsleben hat man ständig mit Veränderungen zu tun, sind es wie bei mir in der Polizei fortlaufende Organisationsreformen oder etwaige Gesetzesanpassungen, um nur ganz wenige Beispiele zu benennen. Nun ja, warum schreibe ich Ihnen das???
Ich bin seit vielen Jahren begeisterter Angler und betreibe dieses Hobby mehr oder minder sehr aktiv. Mein Heimatgewässer ist die Hohenwarte-Talsperre. Ich bin aber als Petrijünger im Zeichen des Raubfisches in ganz Europa unterwegs. Insbesondere der Zander hat es mir angetan.
Nun hat sich seit so einigen Jahren auch in der Raubfischangelei, insbesondere beim Spinnangeln der oben benannte Satz zum Dogma manifestiert. Fast jeden Monat oder zumindest jedes Jahr kommen neue Angeltechniken auf den Markt und begeistern tausende Angler weltweit. Das noch vor 20 Jahren allzu beliebte Ansitzangeln mit Köderfisch auf die Glasaugen, wich zusehends modernen Spinnangeltechniken, ob mit Gummifisch, Wobblern oder verschiedensten Systemen wie zum Beispiel Drop-Shot, Texas- oder Carolina-Rig. Aber nicht nur die angebotenen Systeme haben sich revolutionär geändert, auch die Angeltechniken, sprich das Anbieten dieser Methoden und Kunstködern wandelten sich immens.
Nur leider habe ich den Eindruck, dass dies in unserem wunderschönen Land Thüringen und insbesondere in unseren hier organisierten Angelvereinen noch nicht so richtig angekommen ist und sich in den festgelegten Angelregularien nicht wiederspiegelt.
Ein neuerlicher Blick in die aktuellen Fischereierlaubnisse der Saalekaskade lassen einen modernen Raubfischangler nur mit dem Kopf schütteln. Insbesondere Passagen wie:
• die Ausübung der Angelei ist nur vom verankerten Boot aus genehmigt
• Schleppangeln (Trolling Angeln) ist verboten
• Schonzeiten für Hecht und Zander vom 15.02. - 31.05. eines jeden Jahres
• Verbot einer Landezange (Boga Gripp)
• Nutzung eines Echolotes (Fish-Finder) im Rahmen der Angelei
• Verbot von Angelsystemen mit mehreren Anbissstellen (Hegene)
um nur einzelne Fakten zu benennen.
Fragt man in Angelfachgeschäften, oder auch Verantwortliche örtlicher Angelvereine nach diesen Beschränkungen, bekommt man keine schlüssigen Antworten, meist nur Schulterzucken und Sätze wie: „Das war halt schon immer so!“. Nur damit möchte ich und kann ich mich als denkender Mensch nicht zufrieden geben!
Gründe für ein Schleppangelverbot, oder einer Verankerungspflicht für Boote bei der Ausübung der Angelei kann einem keiner erklären. Aus diesem Grund schreibe ich nun Ihnen und frage genau Sie als Vertreter der Mutter aller Angelvereine dieses wunderschönen Freistaates. Vielleicht können sie mir schlüssig darlegen, wie es zu derartigen Beschränkungen kommt.
Ich schreibe Ihnen als begeisterter Bootsangler, unter anderem auf meinem geliebten Heimatgewässer, der Hohenwarte-Talsperre. Wie sie ja sicher wissen, ist unsere schöne Talsperre fast 70 Meter tief, an den meisten Stellen aber gut 20 - 40 Meter. Gerade in den tiefen Bereichen gibt es wundervolle Freiwasserfische. Unter anderem Raubfische in der Hohenwarte ziehen sich in diese Freiwasserbereiche, um dort den seit einigen Jahren in der Hohenwarte vorkommenden Maränenschwärmen nachzujagen. Wer sich hier nicht den Veränderungen, sprich dem Wandel des Gewässers als Angler anpasst, wird wohl nur bedingt erfolgreich sein. Nicht aber nur der Fangerfolg ist für mich Antrieb des Schreibens. Nein!!! Schon mein Großvater sagte mir stets: „Jeder Tag ist Angeltag, aber nicht jeder Tag ist Fangtag!!!“. Nein, es geht auch darum, dass am Hohenwartestausee ein Angeln ausschließlich vom verankerten Boot unmöglich ist. Wie soll ich bei einer Wassertiefe von mehr als 40 Metern praktisch abankern. Jeder, der schon einmal Boot gefahren ist, weiß dass dies ein nicht mögliches Unterfangen ist.

Durch eine derartige Ankerregelung werden Angelmethoden, wie zum Beispiel das
• Vertikalangeln oder das
• pelagische Angeln
nicht durchführbar. Gerade aber diese Methoden sind zu bestimmten Jahreszeiten unabdingbar, um überhaupt Kontakt zu seinem Zielfisch zu bekommen.

Das Land Thüringen schreibt auf seiner Internetseite unter den erst aufgeführten Punkten, dem Tourismus, dass es Reisende aus aller Welt herzlich Willkommen heißt. Das mag in vielen Punkten tatsächlich stimmen, Angelreisende werden aber bei ihren Planungen und den hier notwendigen Studien der Angelbedingungen stutzig werden, wenn sie die Gesamteinschränkungen und Angelregularien bewerten und analysieren. Ein Beispiel ist bezeichnend. Ich hatte am 25.01.2014 im Rahmen eines Besuches der Internationalen Bootsmesse in Düsseldorf die Möglichkeit, eine Unterhaltung mit dem Raubfischweltmeister Dietmar Isaiasch zu führen. Ich erkundigte mich bei ihm über Neuigkeiten der Zanderangelei in Holland, da ich gerade eine neue Angelreise plane. Er schwärmte mir von den unendlichen Angelgewässern und den unkomplizierten Regelungen in seiner Wahlheimat Holland vor. Als ich mich mit ihm über meine Heimat austauschte, sagte er spontan, Zitat: „Bei uns in Holland ist die Angelei viel unkomplizierter, bei Euch in Thüringen ist doch fast alles verboten!“. Diese Unterhaltung beschäftigte mich noch Tage. Es ist aber wirklich Erschreckend, wenn ein Berufsangler, der sich der Raubfischangelei und insbesondere dem Schutz der Natur und den Fischen berufen und verpflichtet fühlt, solch einen Satz praktisch spontan äußert.
In den Niederlanden wird mit der Genehmigung zur Raubfischangelei nicht gleichzeitig eine Entnahme der Fische erlaubt. Nein, eine Solche ist hier gesondert zu erwerben. Und auch nur dann dürfen max. ein Raubfisch pro Angeltag dem Gewässer entnommen werden. Das ist innovativ. Das in Holland gelebte Catch and Release und die damit verbundene gesamte Angelphilosophie ist zielführend und sichert beste Fischbestände und Angelvoraussetzungen, die Angeltouristen aus der ganzen Welt magisch anziehen. Erlaubt sind aber neben den Schleppangeln mit zwei Ruten pro Angler auch alle modernen Angelmethoden, wie beispielhaft das Vertikalangeln. Des Weiteren dürfen uneingeschränkt Echolote (Fishfinder) zur Angelausübung eingesetzt werden. All die genehmigten Dinge führen aber nicht zu einer Fischschlachtung auf hohem Niveau. Ganz im Gegenteil. Die natürlichen Fischbestände sind ausnahmslos hervorragend.
Aber auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland sind unterschiedlichste Regeln und Verbote vorzufinden. Dies ergibt sich auf Grund des föderalistischen Systems von selbst, nur sind im Vergleich der Vorschriften der einzelnen Bundesländer die in Thüringen bestehenden besonders umfangreich und einschränkend. In unserem Nachbarbundesland Bayern zum Beispiel ist das Schleppangeln an den allermeisten Gewässern eine Selbstverständlichkeit. Auch der Einsatz eines Hegenesystems ist kein Problem. Verankerungspflicht von Booten beim Angeln, kenne ich persönlich nicht, nur aus Thüringen und hier von der Saalekaskade. Auch im sprichwörtlichen Angelparadies Mecklenburg, insbesondere an den Boddengewässern und den Küstenbereichen der Ostsee ist eine Verankerungspflicht beim Bootsangeln nicht vorgeschrieben. Hier darf man unter Nutzung eines Driftsackes die Angelei vom Boot aus durchführen. Das Fangen von Fischen und anschließende ins Wasser zurücksetzen ist in Mecklenburg aber gern gesehen und überall zu beobachten.

Ich würde mir wünschen, in diesem modernen und sich stetig weiter entwickelnden Land auch moderne und sich mit der Zeit wandelnde Angelvereine und Angelregularien vorzufinden.
Beispielhaft und aus meiner Sicht zum Schutz und zur Erhaltung guter Raubfischbestände beitragend, könnte ich mir unter anderem vorstellen:
• Regulierung von Fangbegrenzungen pro Angeltag ähnlich der Niederlande
• Einführung einer Jahresfangbegrenzung (maximal zu entnehmende Edelfische im Jahr ? evtl. zwischen 30 und 50 Stück pro Angler)
• Heraufsetzung der Mindesmaße bei Hecht und Zander auf 60 cm
• Zander über 85 cm und Hechte über 100 cm müssen zwingend (wie zur Schonzeitenregelung) ins Gewässer zurück gesetzte werden, da diese Fische den Bestand nachhaltig sichern können
• Entwicklung und Bewerbung einer Catch and Release Philosophie in Thüringen
aber auch im Sinne des Angeltourismus und Angelhobbys Regelungen wie:
• Aufhebung der Ankerpflicht beim Bootsangeln
• Genehmigung der Driftangelei unter Verwendung eines Driftsackes und gleichzeitiger Ankerkennzeichnung beim Bootsangeln
• Genehmigung von Echoloteinsatz und der Trolling-Angelei
• Reduzierung der Schonzeiten bei Hecht und Zander auf April und Mai jeden Jahres

Ich möchte sie daher bitten, die von mir angesprochenen Punkte und Vorschläge in den Vereinen und Vorständen zur Diskussion zu stellen. Bitte sehen sie den von mir verfassten Brief nicht als ein Meckerdokument, sondern verstehen Sei es bitte als Gedankenanstoß und Mitwirkungspflicht meiner seits.

Vielleicht können Sie zu einer passenden Gelegenheit, etwa einer Jahresversammlung von Vereinsverantwortlichen oder ähnlichem als Beispiel Herrn Dietmar Isaiasch oder andere Angelprofis zu einem Vortrag oder gar einer Podiumsdiskussion einladen, um vorherrschende Gedanken und Meinungen im Sinne eines innovativen und insbesondere für den Angelnachwuchs attraktiven Angelhobbys zu wandeln und weiterzuentwickeln, denn

NICHTS IST SO STETIG WIE DER WANDEL.

Mit einem herzlichen Petri Heil und verbundenen Grüßen, Ihr


Markus Marschewski
aus Catharinau
Online-Redaktion FISCH & FANG / DER RAUBFISCH
E-Mail: thomas.kalweit@paulparey.de

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Re: Offener Brief an den Anglerverband Thüringen

Beitrag von Alex Muc » 24 Feb 2014 22:45

Servus,

schöner Brief des Kollegen, ich fürchte nur, dass - gerade was die Zwischenschonmaße angeht - da noch viel Wasser unsere Flüsse hinunterfließen wird, bis wir auch in Deutschland soweit sind. Meine Anerkennung hat er jedenfalls, er versucht durch diesen Brief wenigstens etwas zu bewegen.

Gruß,
Alex.

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Re: Offener Brief an den Anglerverband Thüringen

Beitrag von Steinbuttt » 25 Feb 2014 20:48

Ich wünsche dem Markus und allen Thüringer Kollegen von ganzem Herzen, das er da etwas mit erreicht und sich ein paar Gesetze lockern lassen ... ist ja wirklich erschreckend, was in Thüringen alles verboten ist! :roll: :? :(

Größten Respekt und Anerkennung zolle ich dem Markus auf jedenfall ... toll formulierter Brief und wirklich klasse, das da mal jemand etwas unternimmt!

Gruß Heiko

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Re: Offener Brief an den Anglerverband Thüringen

Beitrag von Smile » 25 Feb 2014 21:18

Der Brief zeugt von Sachverstand und beweist deutlich, dass es Angler gibt die sich weit jenseits des Fangerfolges mit der materie auseinandersetzen. Und idealistisch noch dazu. Allein, wir sind in Deuitschland. Hier etwas in Bewegung zu kriegen im Sinne von Vereinfachung oder des Brechens mit Traditionen ist in etwa so einfach wie das Anschieben eines Riesentankers.
ich drücke unserem Mitstreiter die Daumen. Aber da wird noch viel Wasser durch die Talsperren strömen und sei seine Argumentation noch so plausibel...
...."May the holes in your net be no larger than the fish in it. ~Irish Blessing"
Besser geht es ohne TSKH

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Re: Offener Brief an den Anglerverband Thüringen

Beitrag von Steinbuttt » 25 Feb 2014 21:30

Und ich hoffe sehr, das es dem Kollegen nicht so ergeht, wie einem guten Angelfreund von mir!
Der steht nämlich bei unserem Lallf inzwischen auf Platz 1 der "schwarzen Liste", weil er immer wieder mit Petitionen, Unterschriftensammlungen und ähnlichem, versucht, auf Mißstände im Bereich Angeln hier in MV aufmerksam zu machen oder etwas zu bewegen!

Gruß Heiko

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