Fischartenschutz im Bundestag

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Thomas Kalweit
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Fischartenschutz im Bundestag

Beitrag von Thomas Kalweit » 21 Okt 2011 12:46

Eine Pressemitteilung von heute. Diese Rede hielt gestern Dr. Christel Happach-Kasan im Bundestag (der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP "Fischartenschutz voranbringen - Vordringliche Maßnahmen für ein Kormoranmanagement" wurde beraten):

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
Fischartenschutz voranbringen – Vordringliche Maßnahmen für ein
Kormoranmanagement
> Drucksache 17/7352 <
20.10.2011
Dr. Christel Happach-Kasan:

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Schutz des Kormorans war überaus erfolgreich. Die Kormorane haben sich so stark
vermehrt, dass inzwischen eine Bestandsregulierung erforderlich geworden ist. Es gibt in
Europa keine Artenschutzmaßnahme, die so durchgreifend gewirkt hat, wie der
Kormoranschutz. Der Kormoran ist inzwischen Bestandsvogel nicht nur an der Küste
sondern auch in den südlichen Bundesländern, wo er in den letzten Jahrhunderten allenfalls
als seltener Irrgast anzutreffen gewesen ist. Er gehört dort zu den invasiven Arten und
bedroht Fischarten in ihrem Bestand, die an das Fraßverhalten des Kormorans nicht
angepasst sind. Nach Angabe der Bundesregierung auf Anfrage der Linken (BT-Drucksache
17/980) ist die Anzahl der heimischen Brutpaare auf etwa 24.000 gestiegen. Die europäische
Population des Kormorans wird von Wissenschaftlern auf etwa 600.000 erwachsene
Brutvögel bzw. eine Gesamtzahl von beinahe zwei Millionen Vögel geschätzt. Es gibt sehr
viele Brutvogelarten, bei deren Schutz wir uns so viel Erfolg wünschen wie beim Kormoran.
Nach diesem Erfolg des Vogelschutzes ist es an der Zeit, auch den Fischartenschutz und
speziell den Schutz autochthoner Fischbestände voranzubringen. Die Situation vieler
bedrohter Fischarten hat sich in den letzten Jahrzehnten weiter verschlechtert. Nach den
Kriterien der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources)
sind 38 Prozent der Süßwasserfischarten Europas gefährdet oder vom Aussterben bedroht.
So sind beispielsweise die Bestände der Äsche (Thymallus thymallus), dem Fisch dieses
Jahres 2011, in den vergangenen zehn Jahren in verschiedenen Gewässern
zusammengebrochen. Laut Aussagen des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) gelten in
Deutschland 74 Prozent der heimischen Rundmäuler und Fischarten als gefährdet oder
ausgestorben. Es bleibt unverständlich, warum der behördliche Naturschutz dennoch eine
Bestandsregulierung des Kormorans ablehnt, das Bundesamt für Naturschutz in der
Broschüre über die Äsche sogar ein Grußwort verweigert hat.
Die Gefährdung von Fischbeständen, genauso wie die wirtschaftliche Belastung von
Teichwirtschaften durch den Kormoran sind vielfältig nachgewiesen worden. Ein Kormoran
frisst pro Tag zwischen 240 und 1000 Gramm Fisch, so die Bundesregierung in Drucksache
Die wirtschaftliche Belastung von Teichwirtschaften ist unmittelbar einsichtig. Die
fränkischen Teichwirte beziffern den Verlust durch den Kormoran auf 60 Prozent. Der
Kormoranfraß hat vielfach ein Wirtschaften unmöglich gemacht und die Wertschöpfung in
den ländlichen Räumen erschwert. Viele Teichwirte in Mittelfranken und in ganz Deutschland
wollen deswegen aufhören, ihre Teiche zu bewirtschaften. Der Erhalt der Kulturlandschaft
mit ihren über 4000 Teichen allein in Franken ist dadurch gefährdet. Fränkische Teichwirte
fordern deshalb ein europaweites Kormoranmanagement.
Es ist bemerkenswert, dass der NABU den Kormoran zum Vogel des Jahres 2010 gemacht
hat, obwohl er als Besitzer der Blumberger Mühle in Brandenburg, einer
Karpfenteichwirtschaft, seine Teiche mit Fischen aus einer tschechischen Satzfischaufzucht
besetzen muss. Diese Fische sind so groß sind, dass Kormorane sie nicht mehr bewältigen
können. Seit dem Jahr 2000 werden jährlich über 50 Tonnen Satzkarpfen in die Teiche der
Blumberger Mühle gesetzt. Für einen gewerblichen Binnenfischer oder Teichwirt ist ein
solches Verfahren viel zu teuer, unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist dieses Vorgehen
abzulehnen. Es ließe sich durch ein sinnvolles Kormoranmanagement vermeiden. Ebenso
brauchen die freiwilligen Bemühungen der Anglerverbände zum Gewässerschutz sowie zur
Wiederansiedelung bedrohter Fischarten die Unterstützung durch ein nachhaltiges
Kormoranmanagement.
Ein wirkungsvoller Fischartenschutz erfordert einen breiten Ansatz. Die Wasserqualität, der
Gewässerzustand von Fließgewässern müssen vielerorts weiter verbessert werden. Der
Gewässerverbau durch die kleine Wasserkraft zum Beispiel ist nur dann akzeptabel, wenn
Umgehungsmöglichkeiten für wandernde Fischarten geschaffen werden. Nur so können sich
bedrohte, autochthone Bestände erholen oder ausgestorbene Arten wieder ansiedeln.
Gleichzeitig ist es unabdingbar, den Fraßdruck durch Raubtiere wie den Kormoran auf
bedrohte Bestände zu begrenzen.
Es besteht ein allgemeines Einverständnis, dass auch auf Grund des Fehlens von Wolf und
Bär, also Raubtieren, die früher einmal bei uns heimisch waren, der Mensch Reh-, Rotwildund
Damwildbestände bejagen muss, um im Wald Schäden durch winterlichen Verbiss zu
mindern. Genauso muss an bestimmten Gewässern der Kormoranbestand begrenzt werden,
um bedrohte Fischarten zu schützen, um autochthone Bestände vor dem Aussterben zu
bewahren. Nur so kann die innerartliche Biodiversität erhalten werden.
Mehr als 120.000 Unterschriften wurden für ein Kormoranmanagement gesammelt, in Ulm
haben über 6000 Menschen für das Kormoranmanagement demonstriert. Ich bin erfreut,
dass sich inzwischen Die Linke unserer Forderung nach einem Bestandsmanagement
angeschlossen hat. In den Landtagen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden
Entschließungen verabschiedet, die auf ein europaweites Kormoranmanagement und ein
abgestimmtes und wirkungsvolles Vorgehen in Deutschland dringen.
Es gibt im Rahmen der einzelnen Kormoranverordnungen der Bundesländer bereits viele
Beispiele für regionale Aktivitäten, die eine Regulierung des Kormorans zum Ziel haben.
Allerdings ist der Kormoran ein Wandervogel und im Laufe des Jahres kommt es zu einem
massenhaften Durchzug von Vögeln aus den nordeuropäischen Staaten, die zusätzlichen
Druck auf bedrohte Fischbestände ausüben. Regionale Maßnahmen gegen den Kormoran
sind richtig und wichtig. Aber ohne eine Koordinierung dieser Maßnahmen innerhalb
Deutschlands und mit unseren Nachbarländern, also ohne ein europäisches
Kormoranmanagement, können wir keinen sicheren und dauerhaften Artenschutz
gewährleisten und Schaden von bedrohten Arten in heimischen Gewässern abwenden.
Als Regierungskoalition sind wir uns der Wichtigkeit eines Kormoranmanagements zum
Wohle der Biodiversität und des wirksamen Artenschutzes unter der Wasseroberfläche
bewusst. Mit diesem Antrag setzen wir ein Ziel des Koalitionsvertrages um. Wir laden alle
ein, denen der Schutz unserer bedrohten Fischfauna, der Erhalt wertvoller Teichflächen und
ein ausgewogener Umweltschutz am Herzen liegt, unseren Antrag zu unterstützen.
Online-Redaktion FISCH & FANG / DER RAUBFISCH
E-Mail: thomas.kalweit@paulparey.de

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Re: Fischartenschutz im Bundestag

Beitrag von Fishermanslure » 21 Okt 2011 13:07

Wow, es sollte sich doch nicht wohl sogar höchstoffiziell etwas bewegen in Sachen Kormoranen...

Klingt zumindest sehr positiv für mich und anscheinend wurden hier auch mal Experten der fischereilichen Seite gehört!
Grüßle
Rainer
Ein echter Spinner vor dem Herrn...

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